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Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition)

Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boenke
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glauben, was in den glänzenden Flachmann hineinpasste. Ich drehte den integrierten,
handwerklich sehr fein gearbeiteten Edelstahlfaltbecher mit konischem Prinzip mit
einem Cent-Stück aus der Mitte des Flasks und schüttelte ihn in die beabsichtigte
Endform. Vorsichtig goss ich vom bernsteinfarbenen Schottengetränk ein. Schade,
dass ich nicht wusste, wo Deo untergebracht war. Whisky ist Männersache.

19
Kreuzgucker
     
    Nun lasst
uns den Leib begraben
     
    Begrabt
den Leib in seiner Gruft,
    Bis ihn
des Richters Stimme ruft!
    Wir säen
ihn; einst blüht er auf
    Und steigt
verklärt zu Gott hinauf.
     
    ›Du wirst
mein aufgelöst’ Gebein,
    O du Verwesung,
weit verstreun!
    Allein gezählt
ist, wie mein Haar,
    Mein Staub!
Gott weckt mich wunderbar!‹
    Friedrich
Gottlieb Klopstock (1724 – 1803)
     
    Nachdem das Frühstück problemlos
verlaufen war – nur Herr Finsterle, der Referendar fehlte –, stakste die im Kloster
witterungsbedingt gestrandete Gruppe mehr oder weniger freiwillig zur Markuskirche.
    Ich war
schon sehr früh wach, und als die Nacht einem herrlich sonnigen Wintertag Platz
machte, war ich mit meiner flachen Systemkamera unterwegs, um die einzigartig verschneite
Klosteratmosphäre einzufangen. Die Schneewehen reichten mir manchmal bis zu den
Hüften. Seit gestern Abend schien niemand mehr das Kloster verlassen zu haben. Der
Schnee war absolut jungfräulich. Ich traute mich kaum, erste Spuren zu setzen. Der
heiße Kaffee zum Frühstück tat dann richtig gut.
    Und nun
drängten wir alle in die barocke Kirche. Mit lautem Gepoche klopften wir den Schnee
von den Schuhen. Dann nahmen wir in den Bänken Platz. Von Deodonatus war weit und
breit noch nichts zu sehen. Er verkleidete sich wohl gerade in der Sakristei.
    Einige Schüler,
die sich in die vorderste Reihe gesetzt hatten, fingen an zu tuscheln und zeigten
auf den Boden vor dem Holzkreuz, das in der ersten Reihe an der Bank befestigt war.
Sie kicherten und wurden immer lauter. Da ich dieses Verhalten als pietätlos empfand,
stand ich aus der hintersten Reihe auf, die ich müdigkeitshalber ausgewählt hatte
– der frühe Spaziergang, der abendliche Whisky –, und ermahnte die immer unruhiger
werdende Schülerschar. Als ich den Mittelpunkt ihres Interesses sah, zuckte ich
instinktiv zusammen. Hier stimmte tatsächlich etwas nicht.
    Auf dem
steinernen Boden vor dem Holzkreuz kniete eine lebensgroße Figur, die hölzern und
wächsern zugleich wirkte. Ein eigenartiger, störender Geruch entströmte ihr. Das
Absurdeste war jedoch die Kopfhaltung. In dieser, vor dem Kreuz knienden Demutsgeste
war eine solche Kopfhaltung anatomisch kaum möglich. Der Kopf war weit nach hinten
überstreckt, die auf die geschlossenen Lider aufgemalten Augen schienen den gekreuzigten
Heiland darüber zu fixieren. Der Mund war leicht geöffnet.
    »Die Figur
sieht voll krass aus.«
    »Ja, echt
lebendig, wie … wie echt!«
    »Ich finde
sie ekelig, die ist bestimmt neu, die stinkt ja noch wie Chemie.«
    »Wahrscheinlich
frisch revonniert.«
    »Renoviert.«
    »Restauriert.«
    »Halt frisch
angepinselt.«
    »Iiii, die
ist ja noch klebrig.«
    Ich ging
dazwischen:
    »Finger
weg.«
    Da fiel
die Figur aber schon um, sie stürzte seitlich über den Kopf auf die linke Schulter.
Einige Schüler schrien erschreckt auf.
    »Was ist
denn das, pfui, da läuft ja was aus der Nase heraus.«
    »Das ist
keine Figur, das ist echt! Der ist tot!«
    Ich nahm
die Schüler vorsichtig zur Seite:
    »Geht alle
raus, da stimmt etwas nicht. Holt bitte die Kommissarin, Zimmer 20.«
     
    Es war wirklich so, wie ich es befürchtet
hatte. Das, was mit dem überstreckten Kopf, in diese Hundeposition gezwungen, nun
auf der Seite lag, war kein Holzheiliger, der ewig anbetete. Es war ein realer Mensch
gewesen. Die kleine Pfütze neben der Nase wurde immer größer.
    Ich nutzte
die kommissarinnenfreie Zeit, um alles genau zu fotografieren. Als ich von der Orgel
her auf der Empore ein Knacken hörte, fotografierte ich einfach aus dem Handgelenk
unauffällig nach oben.
    »Lassen
Sie das, die Kamera ist beschlagnahmt!«
    Fordernd
streckte sie ihre Hand aus.
    »Hoppla,
heute etwas wärmer angezogen?«
    Zum ersten
Mal legte sich ein roter Schimmer über ihr Gesicht.
    »Wehe, Sie
lassen irgendetwas an die Öffentlichkeit. Ich reiße Ihnen …«
    »Bitte,
Frau Kommissarin, nicht so ordinär. Das hier ist ein Gotteshaus. Außerdem gibt es
da nichts, was man nicht mit Freuden weitererzählen …«
    »Kamera!«
    Sie

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