Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition)
du?«
»Nein.«
»Wahrscheinlich
liegt bei dem Mörder auch eine narzisstische Persönlichkeitsstörung mit übersteigertem
Größenselbst vor, mit dem er seine Ohnmachts- und Insuffizienzgefühle zu kompensieren
versucht. Verstehst du, was ich meine, Dani?«
»Nein.«
»Mit der
Demutshaltung von Rossbert vor dem Kreuz versucht er sich von dem damaligen, vermutlich
traumatischem Geschehen zu distanzieren, aber unbewusst ist es eben doch eine Wiederholung.
Und diese Fixierung des Blickes auf das Kreuz mit dem völlig überdehnten Hals legt
die Vermutung nahe, dass der Täter in einem sehr religiösen Umfeld aufgewachsen
ist und ihm ein sehr strenges sadistisches Über-Ich antrainiert wurde. Solche sadistischen
Über-Ich-Anteile werden dann oft auf andere Menschen projiziert und in ihnen bekämpft.
Verstehst du, was ich meine?«
»Nein. Kann
es also sein, dass der zweite Tote für den ersten Toten steht, weil es dem Täter
ganz einfach nicht gelungen war, den ersten so zu präparieren, wie er sich es vorgestellt
hat? Also quasi projiziert?«
»Dann ging
es dem Täter jetzt vor allem darum, in einer Art von Rache ein zweites Objekt herzustellen,
weil ihm das erste misslungen ist. Ein Misserfolg stellt für ihn eine massive narzisstische
Kränkung dar, die er wettmachen muss. Hattest du nicht mal gesagt, das erste Opfer
sei schlecht präpariert gewesen?«
Ich nickte
und versuchte, einen roten Faden zu finden.
»Schade,
dass das erste Opfer noch nicht identifiziert ist, der muss aber schon länger tot
sein.«
»Woher weißt
du das schon wieder?«
»Informanten.«
»Depp! Komm
lieber ins Bett, mein Hase, und lass den Boxsack in Ruhe, sonst verletzt du dich
noch einmal.«
Bei dem
Wort Hase fiel mir spontan ein:
»Vielleicht
war Hase ja auch ein Kosename oder sogar der Name des Opfers, das könnte ja einiges
erklären.«
»Möglich.
Wie willst du das herausbekommen?«
»Internetrecherche,
Zeitungsmeldungen. ›Vermisst‹ eingeben in Kombination mit ›Hase‹, vielleicht klappt’s,
oft nutzen ja Angehörige das Internet, um Vermisste wieder zu finden. Werde ich
morgen versuchen. Vielleicht gibt es ja sogar eine spezielle Internetseite für solche
Fälle.«
»Komm jetzt
ins Bett!«
Ich strahlte.
»Ich will
schlafen, bin so müde.«
Ich strahlte
nicht mehr. Trotzdem war ich ordentlich stolz auf meine kleine Psychologin, was
sie schon alles wusste, obwohl sie jünger als ich und eine Frau war: traumatische
Ereignisse, dissoziale Persönlichkeitsstruktur, sadistisches Über-Ich, Größenselbst.
42
Durchbruch
Ach Gott,
ich muss dir’s klagen
Ach Gott,
ich muss dir’s klagen,
dass ich
so elend bin:
Mein Herz
will mir verzagen,
mein Sünd
liegt mir im Sinn;
ich kann
ihr nicht vergessen,
sie ist
zu groß und schwer,
die hat
mich ganz besessen,
sie kränkt
und quält mich sehr.
Ich wollt
auch herzlich
gerne bessern
das Leben mein,
mit Werk,
Wort und Geberden
fromm und
gehorsam sein;
ich kanns
so nicht vollbringen,
wie ich’s
oft hab bedacht,
ich lass
mich davon dringen
durch Satans
List und Macht.
Autor unbekannt
Kurz nach sieben Uhr klingelte das
Telefon. Irgendwann würde ich mir ein mobiles für das Haus anschaffen. Schlaftrunken
torkelte ich zum rebellierenden Apparat.
»Guten Morgen,
Daniel, hei ich brauch dringend deine Hilfe, wir müssen unbedingt wegen …«
»Hallo,
wer ist denn dran?«
»Ich bin’s,
der Franz Joachim, der Finsterle, Daniel, wir müssen unbedingt …«
»Aber hallo,
sag mal, erstens so früh und zweitens bin ich für dich immer noch Herr Bönle und
nicht Daniel, klar? Du bist der Referendar und ich bin dein Mentor!«
»Tschuldigung,
okay, können Sie mir trotzdem helfen?«
»Um was
geht’s denn?«
»Ich brauche
dringendst mein Handy, das liegt bestimmt noch im Kloster!«
»Warum dringendst?«
Ȁh, sensible
Daten drauf, die ganzen Noten der Schüler und noch anderes wichtiges Zeugs. Verdammt,
ich brauch’s halt.«
»Das liegt
da nirgends mehr. Die Spurensicherung hat es nicht gefunden.«
»Woher weißt
du das?«
»Das heißt
Sie!«
»Ja okay,
sorry.«
»Und?«
»Okay, woher
wissen Sie das?«
»Direkt
von den Ermittlern.«
»Wer hat
es dann?«
»Der Täter,
wer sonst?«
»Dann holen
wir’s halt von dem.«
»Gute Idee.«
»Im Ernst?«
»Quatsch.«
»Ich brauch’s
aber, dann gehe ich allein hin!«
»Wie willst
du da reinkommen, die sind zurzeit recht ähh … sensibel.«
»Stimmt
es, dass Sie eine Nonne niedergeknüppelt
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