Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition)
die Schläfe. Sie saß im rosafarbenen Schlafanzug
auf meinem geerbten Ehebett. Auf dem Schlafanzug war ein Teddybär. Über dem Teddybären
eine Sprechblase: I’m so tired! So etwas musste man nicht anziehen, auch nicht,
wenn man schwanger ist. Trotzdem versuchte ich es mit Nachsicht:
»Ich dachte
einfach, das ist gerade für Schwester Barbara ein gutes und praktisches Geschenk,
Blumen schenkt doch jeder. Wer Blumen schenkt, der denkt sich nichts oder hat ein
schlechtes Gewissen.«
»Ach, du
hast kein schlechtes Gewissen. Daniel, höre mir einfach mal zu: So etwas kann man
keiner Nonne schenken, basta, Ende, fini! Wie hat sie denn auf dein sensibel ausgewähltes
Präsent reagiert?«
»Sie hat
mich weggeschickt.«
»Siehst
du! Hast du aus der Frau Schränzle was rausbekommen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich wollte
nicht.«
»Warum?«
»Das wäre
nicht fair gewesen. Es war ganz fürchterlich, als sie immer wieder von ihrem Buben
geredet hat. Vielleicht kann ich da auf einem anderen Weg etwas erfahren, ich möchte
die alte Frau nicht belästigen, erinnerst du mich daran, dass ich ihr am Freitag
einen Käse vorbeibringe?«
Cäci nickte
nachdenklich.
»Was denkst
du, steckt hinter der Sache? Du studierst doch Psychologie, bist bald fertig. Was
bedeutet das alles, das ist doch krank, Menschen töten, plastinieren, die Hasen
im Keller, die abgeschnittenen Zungen bei den Hasen, die Zahnstocher, die Nonnenfürzle,
der Schweinekopf, der arme Rossbert unter dem Kreuz.«
»Ich weiß
nicht, ob man das alles auf einer Schiene zusammenbringen darf. Auffällig ist, dass
der Hase in derselben Position vor dem Kreuz lag wie der Rossbert. Ich denke, da
hat der Täter seine ersten Rache- und Tötungsfantasien ausgelebt. Geübt, er hat
die Tat eingeübt, um eventuell die letzten Skrupel abzubauen, falls bei dieser schweren
Persönlichkeitsstörung überhaupt Skrupel vorhanden sind.«
»Aber warum
nimmt er gerade einen Hasen, er könnte doch eine Katze nehmen, einen kleinen Hund
oder eine Puppe. Warum gerade einen Hasen?«
»Ich weiß
nicht, vielleicht hat das symbolische Bedeutung. Ich werde mich mal in der Literatur
schlaumachen. Eigenartig ist, dass die meisten der Hasen im Keller gehäutet waren.
Vielleicht hatte der Täter in seiner Kindheit oder Jugend traumatische Ereignisse
mit gehäuteten Tieren. Vielleicht wurde er gezwungen, Hasen zu häuten. Eventuell
ist er im landwirtschaftlichen Kontext aufgewachsen und wurde von den Eltern gezwungen,
die Tiere zu häuten. Tiere, die er vielleicht eher als Kuscheltiere gesehen hat.
Vielleicht hat der Täter aber auch eine Berufsausbildung gemacht, bei der er gezwungen
war, Tieren das Fell abzuziehen. Metzger, gegen seinen Willen. Aber das ist jetzt
rein spekulativ. Die abgeschnittene Zunge könnte Sprachlosigkeit bedeuten. Oder
jemanden mundtot machen. Vielleicht hat es aber auch etwas mit Lüge zu tun. Und
dieser eine Hase hatte ja auch einen Kugelschreiber im Maul und eine kleine Drahtbrille
auf. Daraus könnte man auf Intellektualität schließen, vielleicht hat der Adressat
der Aggressionen etwas mit Schreiben zu tun, Lehrer, Schriftsteller, Journalist?«
»Und der
Schweinskopf, hat der auch symbolischen Wert?«
»Kann sein,
beim ersten Opfer wurde auch der Kopf abgetrennt. Vielleicht interpretieren wir
aber viel zu viel hinein und es waren nur Übungsobjekte. Aber das mit der Demutsgeste
vor dem Kreuz hat bestimmt eine Bedeutung. Man müsste dahinterkommen, wer mit dem
Hasen gemeint ist, der Hase ist ein Stellvertreter – aber für wen? Es ist aber auch
möglich, dass der Täter diese Demutsgeste überträgt, weil er gezwungen war, in Demutshaltung
das zu akzeptieren, was ihm als Kind oder später widerfahren ist. Zum Beispiel das
Häuten von Tieren, was ihn selbst traumatisierte, aber weil er zu schwach ist, sich
zu wehren, akzeptiert er widerwillig, demütig. Vielleicht hat aber auch das Kreuz
stellvertretende Bedeutung. Der Gedemütigte ist gezwungen, nach oben zu schauen,
zum Heiland. Vielleicht steht der für den Täter. Der Täter sieht sich als der Gerechte.
Verstehst du, was ich meine?«
»Nein. Der
Rossbert, ist der dann vielleicht auch nur Stellvertreter?«
»Möglich.
Meine ich doch. Die Frage auch hier, für wen? Am gehäuteten Rossbert erkennt man
aber auch, dass aus dem hilflosen Kind oder einem angepassten Jugendlichen im Laufe
der Zeit ein gefährlicher Erwachsener mit dissozialer Persönlichkeitsstruktur geworden
sein könnte. Verstehst
Weitere Kostenlose Bücher