Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition)
Herr Bönle, ich vergebe Ihnen, denn das ist ja
das Ureigentliche bei uns Katholiken, dass eigentlich jeder Schafseckel, selbst
Hitler, wenn er seine Sünden bereut, noch eine Chance auf Himmel hat. Gut, er darf
dann an der endzeitlichen Tafel nicht direkt neben Gott sitzen, da hocken dann wahrscheinlich
Stoiber mit Marianne und Michael, aber eigentlich will ich meinen Himmel nicht mit
denen teilen. Und Schwester Barbara hat tatsächlich Probleme, einem Religionslehrer
zu verzeihen, der versehentlich ihr eins übergebraten hat und nicht einem Menschenschlächter.
Daher unterbrach ich sie:
»Ich habe
Ihnen als Entschuldigung etwas mitgebracht.«
Ich wurstelte
in meiner Aldi-Tüte herum und nahm den länglichen, grauen Karton heraus. Flinker,
als ich erwartet hatte, griff die fromme Hand nach dem unscheinbaren Karton. Wunderfitzig
öffnete sie ihn.
Sie errötete,
stotterte:
»Selig die
Armen im Geiste, denn ihnen gehört das Himmelsreich!«
Verlegen
schaute die Bärtige noch einmal ins graue Paketchen. Mit einer eindeutigen Handbewegung
forderte sie mich auf, ihr steinernes Paradies zu verlassen. Die andächtigen Beisitzerinnen
waren nun völlig zu Salzsäulen erstarrt.
Ehrfurchtsvoll
schritt ich ohne weitere Worte aus dem Raum der Erstarrten, Mose im Kopf, er mahnte
mich:
Als die
Sonne über dem Land aufgegangen und Lot in Zoar angekommen war, ließ der Herr auf
Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen, vom Herrn, vom Himmel herab. Er vernichtete
von Grund auf jene Städte und die ganze Gegend, auch alle Einwohner der Städte und
alles, was auf den Feldern wuchs. Als Lots Frau zurückblickte, wurde sie zu einer
Salzsäule.
Vielleicht
war das Geschenk doch nicht die richtige Idee?
40
Kindsliebe
Das ist
die rechte Liebestreue
O Herz,
nach solcher Liebestreue
verlange,
trachte, ringe ernst,
damit du
täglich und aufs neue
Ihn durch
Gehorsam ehren lernst.
Nicht nur
im Großen, im Geringen
sei Ihm
zu dienen auch bedacht,
so wird
dem ernsten Fleiß gelingen,
was Trägheit
dir unmöglich macht.
Karl Johann
Philipp Spitta (1801 – 1859)
Frau Hedwig Schränzle, die Mutter
des so unglücklich zu Tode gekommenen Rossbert hatte einen schwarzen Kater auf dem
Schoß. Auch sie trug schwarz. Wir saßen in der warmen Küche.
Es war nicht
ganz einfach, in die Wohnung zu kommen. Die alte Frau Schränzle lugte nur durch
einen Türspalt, nachdem ich am Häuschen in Wolfartsweiler geklingelt hatte. Ein
Duft von säuerlich, alt und Gemütlichkeit drang nach draußen. So hatte es auch immer
bei meiner Oma gerochen.
»Was wollen
Sie, sind Sie auch von der Zeitung?«
»Nein, ich
muss mit Ihnen reden, wegen Ihrem Sohn. Mein Beileid noch.«
»Danke.
Sind Sie vielleicht der, dem ich nicht aufmachen soll?«
»Wie bitte?«
»Sind Sie
Lehrer?«
»Ja, warum
sollen Sie mir nicht aufmachen, wer hat das gesagt?«
»Waren Sie
mit den Schülern im Kloster, als man meinen Berti gefunden hat?«
Sie schluchzte
kurz auf und schnäuzte sich.
»Ja, und
ich möchte helfen.«
»Da kann
keiner mehr helfen und die Kommissarin hat gesagt, ich könnte jeden reinlassen,
nur nicht Sie! Auf Wiedersehen!«
Sie wollte
die Tür schließen.
»Frau Schränzle,
ich habe die Mütze, die Narrenkappe von Ihrem Sohn im Schnee gefunden, das war nicht
die Polizei, ich möchte nur mithelfen, dass man den Täter so schnell wie möglich
findet.«
Die Tür
ging wieder auf.
Der schwarze Kater schnurrte wie
eine elektrische Qualitätszahnbürste und schaute mich aus zusammengekniffenen Augen
an.
»Der Berti,
der Rossbert, ist eigentlich, war eigentlich ein ganz ein Lieber, der konnte keiner
Fliege etwas antun. Der hat wirklich keine Feinde gehabt. Und die Fasnet, das war
ihm doch das Wichtigste im Jahr. Ich hab noch gesagt, nimm dir doch ein Taxi. Wer
weiß, vielleicht würde er noch leben.«
Sie seufzte
tief, lehnte sich im abgewetzten Sessel zurück. Die Uhr im Holzgehäuse bewegte träge
das Pendel, die Sekunden vertickten.
»Wissen
Sie, mein Lebenssinn war eigentlich mein Bub. Mein Mann ist schon vor 15 Jahren
gestorben, unter dem eigenen Traktor. Die Rente reicht ja kaum. Aber ich geh doch
nicht aufs Amt. Ich hol mir doch kein Hartz IV, ich will doch nicht dem Staat zur
Last fallen. Der Berti hat beim Knoll als Meister gut verdient. Und jetzt hab ich
nichts mehr. Eigentlich ist das Leben für beide rum. Mich kann man nicht mehr gebrauchen.
Der Bub hat mir immer Halt gegeben und ich ihm die Wohnung. Wenn er nur eine
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