Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition)
Flinte stand, noch einen weiteren Eingang. Dann könnte ich sie
vielleicht von hinten …
»Reden können
wir schon, aber das verhindert nichts! Das Böse muss ausgerottet werden. Es zögert
nur hinaus, das Reden. Nur Gott weiß, wann die Stunde kommt.«
»Warum sind
Sie überhaupt hier? Sie sind doch vor zehn Minuten mit dem roten Wagen mit dem kaputten
Anlasser weggefahren. Das haben wir … äh, ich habe das gesehen.«
»Das war
nicht ich, mit diesem Wagen fährt die ganze Küchenmannschaft, das ist ein Kommunenfahrzeug,
die alte Schrottkiste, die verdammte! Hast du noch jemanden mitgebracht?«
»Nein! Warum?«
»Du hast
wir gesagt.«
»Nein, da
standen halt noch ein paar Schwestern herum. Die haben mich halt gegrüßt und ein
bisschen komisch geschaut, weil sie mich vielleicht …«
»Halt den
Mund!«
Der wackere
Referendar war jedoch weit davon entfernt, den Mund zu halten, er wusste, dass ich
ihn nicht im Stich lassen würde. Er musste Zeit gewinnen. Zeit ist Leben.
»Warum haben
Sie das alles getan? Warum mussten zwei unschuldige Menschen sterben?«
»Ein Unschuldiger!
Der Erste war schuldig! Er hat den Tod verdient, er hat sich versündigt, der Mistkerl!«
»Der, den
Sie im Wald entsorgen wollten?«
»Der ist
an allem schuld, nicht ich! Allein der!«
»Was hat
er Ihnen getan?«
»Was der
mir getan hat? Schau dich doch um!«
Die Flinte
bewegte sich ein bisschen nach vorn, ich sah von meinem Versteck aus ein Bein mit
einer blauen Arbeitshose nach vorn treten. Noch einen Schritt und ich wüsste, wer
der Täter ist. Die Person verharrte:
»Nimm das
von der Wand, lies vor!«
»Welchen?«
Die Waffe
zeigte mit ihrem Lauf auf einen der größten Artikel, deren unzählige die Wand unter
der Kuckucksuhr tapezierten.
Der Referendar
erhob sich in seinem kleidsamen Nonnen-Outfit und tat, wie ihm geheißen, er nahm
den mit einer Stecknadel befestigten Zeitungsartikel von der Wand.
»Lies schon
vor!«
»Münchner
Merkur, 28. Juni 2009. Naturalismus oder Kitsch – Herrgottsschnitzer oder Herrgottsverkitscher,
von unserem freien Mitarbeiter Erwin Hase. Die Ausstellung ›Herrgott in Holz‹ führte
die Besucher am vergangenen Samstag und Sonntag in einen mit unzähligen Kreuzen
überladenen Raum des Franziskanerklosters St. Anna in München und zeigte die Arbeiten
des ehemaligen Tierpräparators des Tierparks Hellabrunn …«
Der Referendar
unterbrach:
»Der Name
hier ist durchgestrichen.«
»Lies weiter!«
»… der sich
seit nunmehr fünf Jahren nicht mehr mit dem Konservieren toter Tiere beschäftigt,
sondern naturalistisch gestaltete Heilandskörper am Kreuze gestaltet. Heilande in
jeglicher Größe, von überlebensgroß bis handtellerklein. Sein größtes Werk nach
den Ausmaßen, eine Leihgabe aus dem oberschwäbischen Kloster Sießen, ist auch sein
beeindruckendstes Werk. Beeindruckend nicht nur durch die erschlagende Wucht des
Objektes, beeindruckend vor allem durch die negative Ausstrahlung des Gekreuzigten.
Es scheint, als habe er versucht, sich dem Bearbeitungswerkzeug des Künstlers zu
entwinden, um nicht wie ein hölzernes Plagiat eines Plastinats Gunter von Hagens
zu werden. Vergeblich. Der Heiland wirkt wie die hautlosen Plastinate des Toten-Künstlers.
Der Betrachter fragt sich, absichtlich oder unbeabsichtigt in dieser Art geschaffen?
Hier wird etwas zur Kunst stilisiert, was ebenso als geschmacklos, als potenzierter
naturalistisch angehauchter Kitsch bezeichnet …«
»Das reicht!
Und die anderen Artikel sind auch von diesem Herrn Hase. Alle gehen sie in die gleiche
Richtung. Nur Schund. Keine Ahnung von Kunst!«
Der Referendar
ließ die Arme sinken, der Zeitungsartikel fiel aus der zitternden Hand auf den Boden.
»Aufheben,
wieder aufhängen!«
Der Flintenlauf
bewegte sich hektisch im Türrahmen. Und ich wusste immer noch nicht, was ich tun
sollte.
»Und deshalb
die Hasen im Keller?«
»Ja, wenn
er schon Hase heißt. Und Hasen bekommt man überall. Ich habe den Jagdschein.«
»Und mit
den Hasen haben Sie geübt?«
»Richtig,
das waren meine Übungsstücke. Zuerst die Technik, die alte, die in München erlernte
Präparation der Tiere, dann vor allem der Modellcharakter. Das sind Modelle. Sollte
ich ihn kreuzigen? Das wäre zu viel Ehre gewesen, ihn mit dem Heiland gleichzusetzen.
Und dann eben die Idee der Demutsgeste. Das musste ausgearbeitet werden. Demut in
der ganzen Körpersprache, aber der Kopf, der musste nach oben, ans Kreuz zum Herrn
schauen. Eigentlich zu mir. Er
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