Nonstop in die Raketenfalle
gehört, den Namen. Weltstar in was? Eiskunstlauf? Film?
Bühne? Stehgeigerin? Rallye-Fahrerin? Und wann? Das muss gewesen sein, als
meine Mutter in den Kindergarten ging.
Gloria selbst lieferte die
Info. »Freut mich, Jungs«, sagte sie. »Aber ich glaube nicht, dass ihr mich
kennt — auch wenn ihr so wissend grinst. Ich war vor eurer Zeit. Doch damals
war ich tatsächlich diiie Gloria, als die Leute noch nicht vor der Glotze
hockten, sondern sich in den Operetten-Theatern begeistern ließen.«
»Ich erinnere mich an einen
Ihrer Filme«, sagte Tim clever, denn garantiert hatte diese ehemalige Diva (»Göttliche«,
gefeierte Schauspielerin) auch gefilmt.
»Tatsächlich?«, fragte sie
überrascht. »Die alten Schinken werden doch nicht mal mehr von den
Privatsendern gezeigt.« Amüsiert sah sie ihn an. »Ein Operettenfilm, ja? Welcher
denn?«
»Ist schon lange her. Ich
meine, es war ›Die Blume von Hawaii‹.« Grinsend summte Tim ein paar Takte der
lyrischen Erfolgsmelodie »Traumschöne Perle der Südsee, ich liebe dich fürs
Leben«, wobei ihm zwei Melodien durcheinander gerieten. Aber er glich das aus,
hatte nämlich den Arm um Gabys Schultern gelegt.
Gloria lachte. »Gaby, ich
glaube, dein Häuptling ist ein ganz schlauer Bursche und hat nur ein bisschen
geblufft, um mich zu erfreuen. Stimmt’s, Tim?«
»Hätte ich Sie in einem Film
gesehen, wäre mir das unvergesslich geblieben.«
»Gaby, nimm ihn an die kurze
Leine. Das ist ein Charmeur.«
»Vor allem ist er ein
Kavalier«, lachte Gaby und puffte Tim in die Rippen. »Übrigens, Jungs, im
Tierheim kümmert sich Gloria aufopfernd um verwahrloste Katzen. Daher kennen
wir uns.«
Die Exdiva nickte. »Katzen und
impressionistische Gemälde — das sind die einzigen Leidenschaften, die mir noch
geblieben sind. Und jetzt will ich zum Keul. Er hat was für mich. Was treibt
euch denn hierher?«
»Wir wollten einen
orientalischen Dolch fotografieren«, erklärte Gaby. »Der Chilànum liegt dort im
Schaufenster. Wir brauchen das Foto für einen Artikel in der Schülerzeitung.
Aber diese Dumpfbacke Pitröder hat’s nicht erlaubt.«
»Mit der Ratte dürft ihr gar
nicht reden«, sagte Gloria. »Mit dem Kerl kriege ich jedes Mal Ärger. Aber wenn
ihr orientalische Dolche fotografieren wollt, kann ich euch helfen. Von den
Dingern habe ich zehn oder elf. Die hängen bei mir an den Wänden.« Vertraulich
wandte sie sich an Gaby. »Habe ich dir doch erzählt. In meiner Blütezeit war
ich liiert mit einem indischen Fürsten, dem Maharadscha von Buschnapur. Ja, der
Buschi. Hat immer behauptet, ich wäre seine Lieblingsfrau. Aber nach Bombay hat
er mich nicht geholt. Geheiratet auch nicht. Und dann kam der Baron von
Scheckerheim und hat um meine Hand angehalten. Ratet mal, Jungs, wie ich mich
entschieden habe.«
Alle lachten. Tim fragte, woher
sie die Dolche hätte.
»Von Buschi natürlich. Hat mir
auch viel Schmuck geschenkt. Den weißen Elefanten habe ich abgelehnt. Das
Tigerbaby hätte ich gern genommen, war so schnurrig. Aber daraus wäre mal ein
richtiger Königstiger geworden und der ist als Haustier leider ungeeignet.«
»Wann können wir Ihre Dolche
ablichten?«, fragte Tim.
»Wie wäre es mit morgen Nachmittag?«
Sie vereinbarten 15 Uhr.
Dann sagte Tim: »Sind Sie
sicher, Frau Gloria, dass Ihr Fahrzeug noch verkehrstauglich ist?«
»Tim, hältst du mich für
bescheuert?! Dieser Mülleimer ist weder zugelassen noch versichert. Ich benutze
das Entchen sonst auch gar nicht. Es steht nur in meiner Garage herum. Habe
eine Doppelgarage und noch einen großen Jaguar-Oldtimer. Gehabt. Denn den
verkaufe ich heute. Nachher wird er abgeholt. Dann kriege ich das Geld. Und
damit kann ich bei Keul das Gemälde kaufen, einen William Weaver aus seiner
grüngelben Periode. Bin ganz versessen darauf.«
»Und das Entchen«, Tim blieb
hartnäckig, »fahren Sie jetzt anstelle des Jaguars?«
»Nur eben mal. Weil’s so
regnet. Nur für die kurze Strecke. Ich wohne ja gleich um die Ecke. An der
Straße zum Kleinen Westbahnhof.«
Tim seufzte. »Frau Gloria, ich
will mich nicht aufspielen, aber so geht das nicht. Sie gefährden sich und
andere. Man wird Ihnen den Führerschein abnehmen.«
»Geht nicht, Tim. Hab keinen
Führerschein mehr. Vor zwei Jahren freiwillig abgegeben. An meinem
Achtzigsten.«
»So sehen Sie nicht aus,
sondern viel, viel jünger. Aber jetzt machen wir Ihnen einen ernst gemeinten
Vorschlag. Wenn Sie bei Keul fertig sind, setzen Sie sich in Ihr
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