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Nora Morgenroth: Der Hüter

Nora Morgenroth: Der Hüter

Titel: Nora Morgenroth: Der Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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mich für verrückt erklären. Dann schon eher Bille. Es war ja nicht so, dass ich ihr nicht vertraute. Nein, natürlich tat ich das. Trotzdem. Also sagte ich etwas, das meine Schwester garantiert auf andere Gedanken bringen würde.
    «Wir wollen heiraten!»
    «Was?»
    Hedda sprang auf und küsste mich. Dann führte sie einen kleinen Freudentanz auf und rief:«Wahnsinn! Wow! Super!»
    Ihr Ausbruch hatte zur Folge, dass Viola im Nebenzimmer weinend aufwachte. Hedda erstarrte, aber es war zu spät. Viola brüllte. Und so ging meine Neuigkeit in dem Quengeln eines Kleinkindes unter, das, kaum war es eingeschlafen, wieder aus dem Mittagsschlaf gerissen worden war.
    Mir war es eigentlich ganz recht. Als ich mich kurz darauf verabschiedete, damit Hedda sich mit der Kleinen zusammen noch einmal hinlegen konnte – das war das Einzige, was das aufgebrachte Kind noch beruhigen konnte – versprachen wir uns, das bevorstehende Ereignis ganz bald noch ausführlich zu besprechen. Und am Sonntag würden wir uns ohnehin schon wieder sehen.
    Während ich zu meinem Wagen zurückging, den ich um die Straßenecke geparkt hatte, fiel mir auf, dass Oliver und ich überhaupt noch nicht über einen möglichen Termin gesprochen hatten.
    Ehe ich losfuhr, schickte ich ihm eine SMS: Vermisse Dich. Ich hoffe, dein Tag ist nicht zu schlimm. War eben bei Hedda, bin noch in Vallau. Was macht die Nase? Nora.
    Während ich durch die Stadt kurvte , bemerkte ich, dass ich alle möglichen Umwege fuhr. Es widerstrebte mir, schon nach Hause zu fahren. Doch mir fiel beim besten Willen nichts ein, was ich noch tun könnte. Natürlich konnte ich ein paar Geschäfte abklappern und mir etwas Schönes zum Anziehen kaufen. Aber wenn ich nur daran dachte, mich mit so vielen fremden Menschen auf engstem Raum zu drängen, dann verging mir die Lust gleich wieder. Seitdem wir in Altenstein lebten, war ich ein richtiges Landei geworden. Als ich an einer roten Ampel warten musste, schlug ich plötzlich wütend mit der flachen Hand auf das Lenkrad.
    « Verdammter Wichser! Von dir lasse ich mich doch nicht aus meinem Haus vertreiben. Wichser! Arschloch!»
    Dummerweise hatte ich das Fenster heruntergelassen. Auf der Spur neben mir stand ein sehr sportliches Cabriolet mit einem Ehepaar, das ich altersmäßig in Frau Martensens Seniorenresidenz angesiedelt hätte. Beide drehten ihre Köpfe zu mir um und starrten mich finster an, soweit man das durch die protzigen Sonnenbrillen beurteilen konnte. Es war auf jeden Fall klar, dass sie mich gehört hatten.
    Beide waren unnatürlich braun gebrannt – ich tippte auf Florida - sie stark geschminkt und mit dicken Klunkern behangen, die so protzig aussahen, dass sie vermutlich echt waren. Er trug unübersehbar ein Toupet.
    « Was?», schnauzte ich, bemerkte, dass längst Grün war und gab Gas. Mein Herz klopfte wie wild, als ich anfuhr.
    Eben an der Ampel hatte ich buchstäblich rot gesehen. Ich fluchte sonst nicht so unflätig. Natürlich sagte ich auch mal Mist oder Scheiße, aber das eben, das war nicht ich gewesen. Oder doch? Ich begann mich zu fragen, was diese Träume mit mir machten – außer natürlich, dass sie mich ängstigten.
    Immerhin hatte die Wut mich darin bestärkt, dass ich nach Hause fahren würde. Ich konnte in Zukunft schlecht den ganzen Tag durch die Gegend fahren, nur weil Oliver nicht daheim war.
    Ich musste mich dem Problem stellen. Es ist nur ein Trau m, sagte ich mir immer wieder, es ist nur ein Traum, es passiert dir nicht wirklich.
    Besonders zuversichtlich fühlte ich mich dennoch nicht, als ich von der Altensteiner Hauptstraße in den schmalen Weg einbog, der zu unserem Haus führte. Umso erleichterter war ich, als ich auf das Grundstück einbog und Olivers Wagen erkannte.
    Ich fand ihn in der Küche, wo er am Herd stand und in einem Topf rührte. Er wandte mir den Rücken zu und sang laut und ziemlich falsch vor sich hin. Es war offensichtlich, dass er mein Kommen nicht bemerkt hatte.
    « Klopf, klopf», sagte ich vorsichtshalber. Vom gegenseitigen Erschrecken hatte ich genug.
    Oliver wirbelte herum.
    «Was machst du denn schon hier? Ich denke, du bist bei Hedda?»
    « Das ist ja mal eine nette Begrüßung! Ich hatte dir geschrieben, dass ich bei ihr gewesen bin. Aber Viola ist aufgewacht und dann gab es nur noch Geschrei. Wir sind ja Sonntag sowieso zum Kaffee dort. Außerdem, was machst du schon hier?»
    Oliver trat mit dem tropfenden Kochlöffel in der Hand auf mich zu.
    «Ach Mensch und ich

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