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Nora Morgenroth: Der Hüter

Nora Morgenroth: Der Hüter

Titel: Nora Morgenroth: Der Hüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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können.
    A ber noch mehr wollte ich von ihm gerettet werden.
    « Nora, hörst du mich denn nicht, was ist mir dir?»
    Oliver wusste von meiner Gabe, doch er hatte mich noch nicht in diesem Zustand gesehen. Und ich hatte gehofft, dass es niemals geschehen würde. Langsam kam ich zu mir. Dann brach ich in Tränen aus. Das war doch Oliver. Mein Oliver.
    « Ich höre dich. Halte mich, halte mich ganz fest.»
     
    Aus der romantischen Überraschung – Oliver hatte eine Kutsche bestellt, die uns an den nahe gelegenen See bringen sollte – wurde an diesem Nachmittag nichts mehr. Er schickte den Kutscher fort, der kurz nach meinem Zusammenbruch an der Tür läutete. Dann legten wir uns auf das Bett, er nahm mich in den Arm und ich erzählte von den Träumen und Bildern, die mich seit Tagen quälten.
    « Also war es nicht nur das eine Mal neulich?», fragte Oliver, als ich geendet hatte.
    « Nein. Es wird schlimmer. Irgendetwas ist mit diesem Haus. Etwas Schlimmes muss hier passiert sein.»
    « Was denkst du denn, was das sein könnte? Konkret, meine ich.»
    Ich dachte einen Moment nach, denn ich war bisher noch nicht soweit gegangen, mir die realen Hintergründe für meine Visionen auszumalen. Das war ja gerade das Schlimme daran – sonst hätte ich ja sagen können, dass ich einfach nur schlecht träumte. Es musste einen realen Hintergrund geben. Aber was sollte das sein?
    Ein immer wiederkehrender Alptraum war auch nicht schön, aber lange nicht so entsetzlich wie die Annahme, dass dort, wo wir lebten, wirklich jemand gequält worden war. Denn darauf liefen es hinaus: jemand war böse und jemand anders litt und ich befürchtete, dass das Opfer ein Kind war. Gewesen war, musste man ja sagen, denn es fand schließlich nicht gleichzeitig mit uns statt. Wenn ich der alten Frau Martensen glauben konnte und das tat ich, dann musste das, was auch immer sich zugetragen hatte, lange Zeit zurückliegen. Es musste so sein. Vor unserer Zeit, sogar vor Frau Martensen. Und doch konnte das nicht stimmen. Ich konnte nur nicht begreifen, was es war, was an dieser Vorstellung nicht passte.
    „Ich weiß nicht genau“, sagte ich schließlich. „Es geht um ein Kind, einen Jungen denke ich. Meinst du, du könntest herausfinden, ob hier vor längerer Zeit etwas vorgefallen ist? Ich meine, wenn es mal eine Ermittlung gegeben hat, dann müsste das doch in euren Akten stehen.“
    Oliver nickte.
    « Ja, das stimmt. Hör zu, ich kann versuchen, heute Abend noch etwas in Erfahrung zu bringen, wenn ich dazu komme. Sonst morgen. Aber dir ist schon klar, dass es sich auf jeden Fall um etwas Vergangenes handelt, oder? Es ist nicht jetzt, nicht hier auf jeden Fall. Wir sind hier, du und ich.»
    Er blickte mir so fest in die Augen, als müsste er sich vergewissern, ob ich noch ganz bei Verstand war. Ich konnte es ihm nicht verdenken.
    «Natürlich weiß ich das. Ich weiß nur nicht, wie ich diese Gedanken loswerden soll. Darum muss ich wissen, was passiert ist. Vielleicht war alles gar nicht so schlimm oder das Kind ist in eine andere Familie gekommen. Was weiß ich. Vielleicht ist es gut ausgegangen. Das zu wissen, würde mich schon beruhigen.»
    « Klar, das verstehe ich», entgegnete Oliver. «Aber eine Sache verstehe ich nicht. Wenn es mit dem Haus zusammenhängt – warum fangen die Träume erst jetzt an?»
    Ich zuckte mit den Schultern und erwiderte seinen Blick.
    «Du, ich habe keine Ahnung. Nur, vielleicht – weißt du, als ich das erste Mal dieses Kind sah, das war, als ich mir vorstellte, was für ein Papa du vielleicht wärest. Und ganz plötzlich schoben sich diese anderen Bilder darüber. Es war so entsetzlich und der Kleine tat mir so schrecklich leid!»
    « Hey, Nora, jetzt wein doch nicht. Es war nicht wirklich, was du da gesehen hast. Oder zumindest wissen wir das noch nicht. Aber ich verspreche dir, dass ich so schnell wie möglich versuchen werde, etwas herauszufinden, okay?»
    Ich wischte mir die Tränen mit einem Ärmel ab und richtete mich auf. Jetzt war wohl der Moment gekommen.
    « Kannst du … kannst du dir das denn vorstellen? Ein Kind zu haben? Mit mir?»
    Zur Antwort verschloss Oliver meinen Mund mit seinem. Nachdem wir uns ausgiebig geküsst hatten, löste er sich von mir und lehnte sich zurück.
    «Ich habe dir doch schon gesagt, dass du die doofe Pille wegwerfen kannst.»
    « Bist du sicher?»
    « Hör mal, was soll denn das heißen? Natürlich bin ich mir sicher!»
    «Dann ist es ja gut.»
    Ich sprang auf, lief

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