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Nora Morgenroth: Die Gabe

Nora Morgenroth: Die Gabe

Titel: Nora Morgenroth: Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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bestimmt nicht, ich fahre nachher noch zu meiner Schwester, damit sie nicht so allein ist heute Abend, wo doch … wo doch ihr Bein gebrochen ist.“
    Ich biss mir auf die Lippen.
    „Dann alles Gute!“
    „Danke, Frau Müller, Ihnen auch! Und einen guten Rutsch!“
    Wenige Augenblicke später war ich, gefolgt von Herrn Anders, der brav meine Einkäufe trug, vor meiner Wohnungstür angelangt. Ich steckte den Schlüssel ins Schloss und sperrte auf.
    „Vielen Dank, ich schaffe das jetzt schon allein! Wirklich, vielen Dank für die Mühe!“
    Er stellte die Tüten ab. Plötzlich sah es so aus, als hätte er doch alle Zeit der Welt.
    „Ich kann Ihnen das gern noch eben hinein tragen. Macht man doch gern. Ach, und was ist jetzt mit der Dusche? Mein Werkzeug steht im Vierten bei Frau Müller vor der Tür, soll ich es holen?“
    Ich zögerte. Einerseits wollte ich den Temperaturregler gern repariert haben, andererseits sehnte ich mich danach, allein zu sein.
    „Können wir das sonst morgen machen oder übermorgen? Jetzt passt es mir gar nicht so gut, es ist schon so spät geworden. Und Sie haben heute doch bestimmt auch noch Besseres zu tun!“
    Der Hausmeister sah auf seine Armbanduhr.
    „Ach, es ist ja noch nicht einmal zwölf. Aber wie Sie möchten. Dann komme ich morgen am späten Nachmittag, wenn alle ausgeschlafen haben, ist das recht?“
    Ich nickte und bückte mich nach den Tüten.
    „Dann guten Rutsch!“
    „Ihnen auch!“
    Ich trug die Einkäufe in die Küche. Auspacken konnte ich auch später noch, ich nahm fürs Erste nur die Sektflaschen heraus und stellte sie in den Kühlschrank. Mein Magen knurrte, aber ich brachte einfach nicht die Energie auf, mir etwas zuzubereiten. Stattdessen ging ich hinüber ins Schlafzimmer und ließ mich auf das Bett fallen. Kaum hatte ich die Augen geschlossen, knisterte es in den Ohren. Aus irgendeinem Grunde fand ich es nicht beängstigend. Im Gegenteil, es war eher angenehm, sich dem Geräusch hinzugeben. Das Rascheln und Flattern kam näher und trug mich davon.

 
     
VIER
    Als ich die Augen öffnete, war ich nicht ganz sicher, ob ich überhaupt geschlafen hatte. Ich war sofort hellwach, als wären meine Lider nur einen Wimpernschlag lang geschlossen gewesen. Das war ungewohnt. Als Morgenmuffel brauchte ich gewöhnlich eine ganze Weile, um wach zu werden.
    Mir war , als hätte jemand etwas zu mir gesagt. Ich konnte nur nicht sagen, was das gewesen sein sollte. Und natürlich war niemand da. Ich setzte mich auf. Draußen dämmerte es bereits. Die Leuchtziffern meines Radioweckers zeigten 16:31. Im gleichen Moment explodierte unweit meines Schlafzimmerfensters eine Silvesterrakete mit einem satte n Plopp .
    Hedda wartete bestimmt schon! Ich sprang au s dem Bett und eilte ins Bad, streifte mir die verschwitzten Kleider vom Leib und stieg in die Duschkabine. Im nächsten Augenblick bereute ich, dass ich den Hausmeister unverrichteter Dinge wieder fortgeschickt hatte. Dem ersten eiskalten Strahl war ich gerade noch ausgewichen, da prasselte es schon dampfend heiß aus dem Duschkopf. Hektisch drehte ich den Regler von der einen Seite zur anderen, um eine möglichst ausgewogene Mischung zu erhalten, während ich versuchte, mir mit der anderen Hand notdürftig die Haare zu waschen. Als mir die Shampooflasche aus der Hand glitt und ich mich danach bückte, ließ ich den Temperaturregler kurz los. Ich stöhnte auf. Das rasche Bücken hatte meinen geprellten Rippen nicht gutgetan, außerdem traf der heiße Strahl mich mitten auf dem Rücken. Es fühlte sich an, als sei meine Haut halb verbrüht. Ich hatte genug und stellte das Wasser ab. Mit Schaumresten in den Haaren kletterte ich aus der Dusche und trocknete mich ab. Meine Haare konnten auch an der Luft weiter trocknen, zum Föhnen hatte ich jetzt keine Geduld. Dann lief ich ins Schlafzimmer, schaltete das Licht ein und riss die erstbesten Sachen aus dem Schrank. Der Besuch am Krankenbett meiner Schwester erforderte keine besonders festliche Garderobe. Jeans, T-Shirt und eine Strickjacke, das musste reichen. Ich zog mich an und eilte in die Küche. Rasch leerte ich den Inhalt meines Einkaufskorbes auf die Küchentheke und machte mich an die Arbeit. Die Weintrauben waren schnell gewaschen, dann schnitt ich die Melone in kleine Stücke, die ich in eine Vorratsdose aus Plastik tat. Aus dem Käse machte ich mundgerechte Würfel, den Lachs ließ ich in feinen Streifen direkt vom Schneidebrett in das nächste Behältnis rutschen. Dann

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