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Nora Morgenroth: Die Gabe

Nora Morgenroth: Die Gabe

Titel: Nora Morgenroth: Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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ausgerechnet ihr beiden euch trennt. Ich habe so an dich gedacht!“
    „ Ach, die Wohnung… ich weiß auch noch nicht. Es ist alles so kompliziert. Erzähl du mal lieber. Ich will alles hören aus Down Under. Soll ich uns einen Tee machen?“
    Und Sybille erzählte. Dabei sahen wir uns auf meinem Laptop ungefähr zweihundert Fotos an, die sie auf einem Datenstick mitgebracht hatte. Als es dunkel wurde, waren wir zum Prosecco übergegangen, den wir stets mit zwei Eiswürfeln tranken. Irgendwann kippte Sybille sich den Rest aus ihrem Glas in den Mund und betrachtete zweifelnd die fast leere Flasche.
    „Was hältst du davon, wenn wir mal das Lokal wechseln? Der Prosecco ist gleich alle und ich habe Hunger!“
    Leicht angeheitert und kichernd wie die Teenager zogen wir zu Fuß wenige Straßen weiter zu einem spanischen Lokal, das kürzlich aufgemacht hatte. Ich war dort noch nicht gewesen – mit wem denn auch – aber Tapas waren jetzt genau das Richtige. Nur wenige Tische waren besetzt, so dass wir uns einen Platz in einer gemütlichen Nische aussuchen konnten. Nachdem wir bestellt hatten, sah Sybille mich prüfend an.
    „Und du, wie geht es dir? Jetzt bist du aber mal dran. Als du mir geschrieben hast, dass du ausgezogen bist und warum, da wäre ich am liebsten zurückgekommen.“
    „Ich weiß und darum habe ich es dir ja auch erst geschrieben, als das Schlimmste schon vorbei war.“
    Der fast schon unverschämt gut aussehende Kellner stellte Wein, Teller und Besteck vor uns hin und entfernte sich wieder.
    „Hey, hast du gesehen, wie der dich angeglotzt hat? Du siehst aber auch echt heiß aus mit den Haaren, als wärest du selbst eine Spanierin oder so.“
    Ich wurde rot und nahm schnell einen Schluck von meinem Wein.
    „So ein Quatsch!“
    „Überhaupt kein Quatsch. Du siehst toll aus, die dunkle Haarfarbe steht dir richtig gut!“
    Der Kellner kam zurück und stellte eine Vielzahl von köstlich duftenden Schälchen vor uns hin. Mir lief sofort das Wasser im Mund zusammen. Ich bemerkte den forschenden Blick, den er mir zuwarf. Vielleicht hatte Bille Recht und ich sah mit dunklen Haaren wirklich besser aus als mit den blonden. Ich selbst hatte mich noch nicht gänzlich an den neuen Anblick gewöhnt, aber offenbar strahlte ich jetzt so etwas Ähnliches aus wie Mutter, die mit ihren bald sechzig Jahren immer noch deutlich jüngere Männer anzog. Wahrscheinlich sollte ich mich endlich von dem Drang freimachen, ihr um keinen Preis ähnlich sehen zu wollen.
    „Also, jetzt sag schon, wie ist es dir ergangen? Ich will alles haarklein hören, was der Mistkerl dir angetan hat.“ Sie zögerte. „Und der Unfall … wie war das, wie geht es Hedda? Komm schon, erzähl!“
    Ich zuckte mit den Schultern. Monatelang hatte ich mich nach den Gesprächen mit Sybille gesehnt, die je nach Thema tiefgründig, spöttisch, einfühlsam oder einfach nur lustig sein konnten. Plötzlich hatte ich nicht mehr das Bedürfnis, über irgendeines meiner Probleme zu sprechen. Vor kurzem hatte mir das alles noch unter den Nägeln gebrannt. Jetzt war das Einzige, worüber ich wirklich sprechen wollte, Yasmine. Yasmine und ihr sinnloser Tod. Es ging einfach nicht. Also blieb ich bei dem, was mir einigermaßen mühelos über die Lippen kam.
    „Naja“, sagte ich und spießte eine Dattel im Speckmantel auf. „Ich war neulich nochmal mit ihm im Bett.“
    „Was, mit Daniel? Will er jetzt zu dir zurück, der Feigling?“
    „Nein, das ist vorbei. Darum ging es auch nicht. Es hat sich … irgendwie so ergeben.“
    Sybille lehnte sich zurück und betrachtete mich eingehend. Dann schüttelte sie den Kopf.
    „Nee, das kannst du mir nicht erzählen, hat sich so ergeben? So ein Quatsch, also echt. Schon gar nicht, nach dem, was er sich geleistet hat.“
    Ich hätte mir denken können, dass Sybille mich durchschaute. Ich steckte ein Stück Brot in den Mund und spülte mit einem Schluck Rioja nach. Sybille wartete. Also gab ich mir einen Ruck.
    „Weißt du, erst habe ich ja auch gedacht, es ist nur so eine Retourkutsche gegen seine Neue. So nach dem Motto, ich kann ihn immer noch haben, wenn ich will. Und vielleicht war es das auch im ersten Moment. Aber irgendwie haben wir uns auch vermisst. Da war noch etwas. Ich weiß nicht…“
    „Ja?“
    „Irgendwie waren wir uns trotz allem noch nah. Ist doch komisch, oder? In den ersten Monaten habe ich ihn gehasst und konnte trotzdem nicht loslassen. Da war noch diese ganze Wut in mir, die ganze

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