Nora Roberts
gut.«
»Du bekommst so viel Gelegenheit zum Üben, wie du haben willst. Es kostet mich keine Überwindung, dich in meinen Armen zu halten.«
Etwas in ihrem Inneren wurde weich. »Sieh mich nicht so an, Murphy.«
»Ich muß dich so ansehen, wenn ich mit dir Walzer tanze.« Flüssig wie Wein drehte er sie dreimal im Kreis. »Der Trick beim Walzer besteht darin, daß du deinem Partner in die Augen siehst. Auf diese Weise wird dir nicht schwindelig, wenn du dich drehst.«
Die Vorstellung, auf einen bestimmten Punkt zu sehen, mochte ihre Vorzüge haben, aber nicht, bemerkte Shannon, wenn dieser Punkt aus einem Paar dunkelblauer Augen bestand. »Du hast noch längere Wimpern als deine Schwestern«, murmelte sie.
»Das war schon immer ein Streitpunkt zwischen uns.«
»Was für wunderbare Augen du hast.« Obgleich sie nur auf seine Augen sah, schwindelte ihr. Sie stand kurz davor, etwas Unbesonnenes zu tun, kurz davor, zu denken, daß ihr Traum tatsächlich Wirklichkeit geworden war. »Ich sehe dich im Schlaf. Ich denke die ganze Zeit an dich.«
Sein Magen zog sich zusammen, als hätte sie ihm einen Schlag versetzt. »Schatz, ich versuche mein möglichstes, ein Versprechen zu halten.«
»Ich weiß.« Alles kam ihr wie in Zeitlupe vor, jeder Schritt, jede Drehung, jeder Ton. All die Farben und Bewegungen und Stimmen verblaßten, bis es nur noch die Musik und sie beide gab. »Du würdest ein Versprechen, das du einmal gegeben hast, nie brechen, egal, was es dich kostet.«
»Bisher habe ich das wirklich noch nie getan.« Seine Stimme war so starr wie die Hand, die sie hielt. »Aber du führst mich in Versuchung. Willst du etwa, daß ich es breche?«
»Ich weiß es nicht. Warum bist du immer da, Murphy, warum denke ich ständig an dich?« Sie schloß die Augen und lehnte ihre Stirn an seine Schulter. »Ich weiß nicht, was ich tue – was ich fühle. Ich muß mich setzen. Ich muß nachdenken. Ich kann nicht nachdenken, wenn du mich berührst.«
»Du bringst einen Mann um den Verstand, Shannon.« Er zwang seine Hände, sanft zu bleiben, als er sie in Richtung der Stühle zog und vor ihr in die Hocke ging. »Sieh mich an.« Seine Stimme war leise und wurde von der Musik und dem Gelächter der Umsitzenden beinahe übertönt. »Ich werde dich nicht noch einmal bitten, mit mir zu schlafen, das habe ich geschworen. Es ist nicht Stolz, der mich davon abhält oder der mich dir sagen läßt, daß, egal, wie es weitergeht, du an der Reihe bist.«
Nein, dachte Shannon. Es war sein Ehrgefühl. Etwas ebenso Altmodisches wie daß er sie hofierte, was allerdings offenbar jedem der Anwesenden außer ihr wie etwas völlig Normales erschien.
»Hör auf, mit dem Mädchen zu flirten.« Tim trat neben Murphy und schlug ihm krachend ins Kreuz. »Sing statt dessen lieber ein Lied für uns.«
»Ich bin beschäftigt, Tim.«
»Nein.« Shannon setzte ein Lächeln auf. »Sing uns ein Lied, Murphy. Ich habe dich noch nie singen gehört.«
Er starrte auf seine Hände herab. »Was möchtest du hören?«
»Dein Lieblingslied.« Mit einer ebenso entschuldigenden wie bittenden Geste legte sie ihre Hand auf sein Knie. »Das Lied, das dir am wichtigsten ist.«
»Also gut. Wirst du später mit mir reden?«
»Später.« Als er sich aufrichtete, lächelte sie, sicher, daß sie später wieder sie selber war.
»Und, wie gefällt dir dein erster Ceili?« Kaum war Murphy gegangen, setzte sich Brianna neben sie.
»Hmm? Oh, phantastisch! Einfach toll!«
»Eine so großartige Party hatten wir nicht mehr seit Grays und meiner Hochzeit im letzten Jahr. Damals fand am Abend nach der Rückkehr von unserer Hochzeitsreise ein großer Bacachs statt.«
»Ein was?«
»Oh, ein Bacachs ist eine alte Tradition, derzufolge sich die Leute verkleiden und nach Einbruch der Dunkelheit ins Haus kommen und – oh, Murphy singt ein Lied für uns.« Sie drückte Shannon die Hand. »Ich frage mich, was er singen wird.«
»Sein Lieblingslied.«
» > Four Green Fields < «, murmelte Brianna, und ihre Augen wurden feucht, noch ehe der erste Ton erklang.
Und bereits der erste Ton genügte, daß auch das letzte Gespräch im Raum verklang. Alle Anwesenden wurden mucksmäuschenstill, als sich Murphys Stimme zum Klang eines einzelnen Dudelsacks erhob.
Sie hatte nicht gewußt, daß er es in sich hatte – diesen reinen, klaren Tenor, diese Inbrunst, mit der er sang. Er hatte ein Lied von Traurigkeit und Hoffnung, von Verlust und Erneuerung gewählt, und während es still wie
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