Nora Roberts
Hi, Murphy.« Sie schmiegte sich an den Hörer, als wäre es die Schulter ihres Geliebten, und merkte nicht einmal, wie Maggie lautlos aus dem Arbeitszimmer glitt.
»Shannon? Wie schön, daß du anrufst. Gerade habe ich an dich gedacht.«
»Ich denke die ganze Zeit an dich. Obwohl ich es nicht will.«
»Du klingst ein bißchen seltsam. Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Mir geht es wunderbar. Ich liebe dich, Murphy.«
»Was?« Seine Stimme stieg um mindestens eine halbe Oktave an. »Was?«
»Und außerdem bin ich voll.«
»Du bist was? Shannon, geh zwei Schritte zurück und fang noch mal von vorne an.«
»Zum letzten Mal war ich so voll, als ich in meinem ersten Jahr auf dem College aus den Ferien kam. Da gab es all diesen Wein. Ein Meer von Wein. Hinterher war mir furchtbar schlecht. Aber dieses Mal nicht. Ich fühle mich einfach ...« Sie drehte sich mit dem Sessel und hätte sich dabei um ein Haar mit dem Telefonkabel erwürgt. »Lebendig.«
»Himmel, was hat Maggie mit dir angestellt?« murmelte er. »Bist du betrunken?«
»Ich glaube, ja.« Als Test hielt sie sich zwei Finger vors Gesicht. »Ziemlich sicher sogar. Ich wünschte, du wärst hier, Murphy, damit ich mich auf deinen Schoß setzen und an deinem Ohrläppchen nagen kann.«
Der Satz wurde von einem Moment schmerzlichen Schweigens gefolgt. »Das wäre sicher ein denkwürdiges Ereignis«, sagte er mit angespannter Stimme. »Shannon, du hast gesagt, daß du mich liebst.«
»Das weißt du doch. Es hat alles mit weißen Pferden und kupfernen Broschen und Gewittern und Liebe im Steinkreis und Flüchen unter dem Mond zu tun.« Sie ließ den Kopf gegen die Sessellehne sinken, als sie all diese Dinge vor sich sah. »Mit Verwünschungen«, murmelte sie. »Mit gewonnenen Schlachten. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich kann nicht klar denken.«
»Wir werden darüber reden, wenn du wieder zu Hause bist. Shannon, hast du mich extra aus Dublin angerufen, nachdem du – was hast du getrunken?«
»Champagner. Rogans besten Champagner.«
»Stell sich das einer vor. Hast du dich extra mit Champagner betrunken«, wiederholte er, »nur um mir zum ersten Mal sagen zu können, daß du mich liebst?«
»Ich finde, das war eine gute Idee. Du hast eine wunderbare Stimme.« Sie schloß die Augen. »Ich könnte dir ewig zuhören. Ich habe dir ein Geschenk gekauft.«
»Das ist nett. Sag es mir noch mal.«
»Ich habe dir ein Geschenk gekauft.« Als sie sein frustriertes Schnauben vernahm, machte sie lachend die Augen auf. »Oh, jetzt habe ich verstanden. Ich bin schließlich nicht dumm. Weißt du, ich habe meinen Abschluß sogar summa cum laude gemacht. Ich liebe dich, Murphy, auch wenn das alles durcheinander bringt. Ich liebe dich. Gute Nacht.«
»Shannon ...«
Aber sie kniff bereits ein Auge zu und warf den Hörer mehr oder weniger gezielt auf die Gabel zurück. Dann lehnte sie sich zurück, gähnte und schlief ein.
20. Kapitel
»Und am nächsten Morgen keine Übelkeit, keine zusammengekniffenen Augen, einfach nichts.« Maggie saß in Briannas Küche, nippte an ihrem Tee und bedachte Shannon mit einem bewundernden Blick. »Ich bin wirklich stolz auf dich.«
»Du hast einen seltsamen Sinn für Stolz.« Aber Shannon empfand ebenfalls einen gewissen Stolz auf sich. Glück oder das Erbarmen des lieben Gottes hatten ihr die Pein eines Katers nach ihrer Romanze mit dem Dom Pérignon erspart.
Vierundzwanzig Stunden nach dem Ende der Affäre war sie sicher zurück in Clare und genoß den fragwürdigen Ruf, eine standfeste Trinkerin zu sein.
»Du hättest sie nicht so viel trinken lassen dürfen.« Brianna strich die dickflüssige und doch geschmeidige Marshmallowglasur auf einem Schokoladenkuchen glatt.
»Sie ist schließlich eine erwachsene Frau«, widersprach Maggie ihr.
»Trotzdem ist sie die jüngste von uns.«
»Also bitte.« Shannon verdrehte die Augen, ohne daß Brianna es sah. »Ich glaube kaum, daß das eine Rolle spielt. Du und ich, wir sind im selben Jahr geboren, also ...« Sie brach ab, als sie die Bedeutung des Gesagten begriff, und starrte mit zusammengezogenen Brauen auf den Tisch. Tja, dachte sie. Das ist jetzt wirklich unangenehm.
»Arbeitsreiches Jahr für Dad«, sagte Maggie nach einer Weile.
Shannon hob schockiert den Kopf und starrte Maggie entgeistert an. Ihr mühsam unterdrücktes Kichern überraschte sie beinahe ebensosehr wie das breite Grinsen auf Maggies Gesicht. Brianna hingegen strich scheinbar ungerührt weiter ihre
Weitere Kostenlose Bücher