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Nora Roberts

Nora Roberts

Titel: Nora Roberts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Töchter der See
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nicht von ihrer Routine ab. Sie hängte ihren Mantel auf, zog ihre Schuhe aus und schenkte sich ein Glas Weißwein ein. Erst dann setzte sie sich an den kleinen Tisch unter dem Fenster, durch das man auf die Madison Avenue hinuntersah, um ihre Post zu öffnen.
    Es dauerte nicht lange, bis sie der Versuchung, den Brief von Brianna Concannon Thane zu lesen, erlag.
    Liebe Shannon,
    es tut mir furchtbar leid, daß Deine Mutter gestorben ist. Sicher trauerst Du noch um sie, und ich bezweifle, daß Dir durch Worte leichter ums Herz werden wird. Den Briefen zufolge, die sie meinem Vater geschrieben hat, war sie eine warmherzige, eine ganz besondere Frau, und ich bedaure, daß ich nie die Gelegenheit hatte, sie kennenzulernen und ihr persönlich zu sagen, wie sehr sie mich beeindruckt hat.
    Den Detektiv, den Rogan angeheuert hat, Mr. Hobbs, hast Du ja kennengelernt. Seinem Bericht entnehme ich, daß Du wußtest, welche Beziehung zwischen Deiner Mutter und meinem Vater bestand. Ich denke, daß dieses Wissen sicher schmerzlich für Dich ist, und das tut mir leid. Außerdem denke ich, daß Du Dich über meinen Brief wahrscheinlich nicht gerade freuen wirst. Aber ich mußte Dir schreiben, wenigstens dieses eine Mal.
    Dein Vater, der Mann Deiner Mutter, hat Dich sicher sehr geliebt, und ich möchte Deine Gefühle oder die Erinnerung an ihn, die für Dich bestimmt sehr kostbar ist, keinesfalls zerstören. Ich möchte Dir nur die Gelegenheit geben, diesen anderen Teil Deiner Familie, Deines Erbes kennenzulernen. Mein Vater war kein einfacher, aber ein guter Mann, der Deine Mutter nie vergessen hat. Ich habe ihre Briefe an ihn lange nach seinem Tod entdeckt, von dem Band zusammengehalten, das er darum gebunden hat.
    Ich würde ihn gern mit Dir teilen oder Dir, falls Du das nicht willst, gern die Gelegenheit geben, das Irland kennenzulernen, in dem Du gezeugt worden bist. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du für eine Weile hierher zu mir und meinen Lieben kämst. Wenn auch aus keinem anderen Grund als dem, daß dies eine Gegend ist, in der sich persönlicher Schmerz ein wenig lindern läßt.
    Du schuldest mir nichts, Shannon. Und vielleicht denkst Du, daß ich Dir ebenfalls nichts schuldig bin. Aber wenn Du Deine Mutter geliebt hast wie ich meinen Vater, dann weißt Du, daß wir ihnen etwas schuldig sind. Vielleicht geben wir ihnen, indem wir, wenn schon nicht Schwestern, so doch Freundinnen werden, etwas von dem zurück, das sie für uns aufgegeben haben.
    Ich würde mich freuen, Dich hier zu sehen, und falls Du jemals den Wunsch nach einem Besuch verspürst, wirst Du stets willkommen sein.
    Ich grüße Dich freundlich
    Brianna
    Shannon las den Brief ein zweites Mal, warf ihn beiseite, nahm ihn erneut vom Tisch und las ihn ein drittes Mal. War diese Frau tatsächlich so einfach, so selbstlos, so bereit, ihr Herz und ihr Heim für eine Person zu öffnen, die doch eine Fremde war?
    Sie wollte weder Briannas Herz noch ihr Heim, sagte sie sich.
    Und doch. Und doch – wollte sie etwa sich selbst belügen, indem sie so tat, als hätte sie nicht auch bereits daran gedacht? Nach Irland zu fliegen. Sich die Vergangenheit anzusehen. Sie spielte mit dem Gedanken, das Land zu bereisen, ohne daß es auch nur eine der Concannon-Schwestern erfuhr.
    Aus Angst? überlegte sie. Ja, vielleicht aus Angst. Aber auch, um jedem Druck, jeder Frage, jeder Forderung zu entgehen.
    Der Frau, die den Brief geschrieben hatte, schien jeder Gedanke an Druck, neugierige Fragen oder peinliche Forderungen fremd zu sein. Statt dessen bot sie ihr etwas ganz anderes.
    Vielleicht nehme ich sie beim Wort, dachte Shannon. Vielleicht aber auch nicht.

4. Kapitel
    Ich verstehe einfach nicht, weshalb du ein solches Aufhebens machst«, beschwerte sich Maggie. »Man könnte meinen, du bereitest dich auf den Besuch einer Königin vor.«
    »Ich möchte, daß sie sich bei uns wohl fühlt.« Brianna stellte die Tulpenvase auf den Ankleidetisch, überlegte es sich anders und trug sie zu dem kleinen Tischchen mit den abgerundeten Kanten, das neben dem Fenster stand. »Sie macht den ganzen weiten Weg, um uns kennenzulernen. Ich möchte, daß sie sich hier zu Hause fühlt.«
    »Soweit ich sehen kann, hast du das Haus zweimal von oben bis unten saubergemacht, hast genug Blumen für fünf Hochzeiten hereingeschleppt und genug Kuchen und Torten gebacken, um eine Armee satt zu kriegen.« Während sie sprach, trat Maggie ans Fenster, zog die Spitzengardinen beiseite und starrte auf die

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