Nora Roberts
heute abend zurück nach New York.«
Sein kühler Ton verletzte sie, auch wenn sie nicht wußte, weshalb. »Ich habe ein Recht auf mein Privatleben.«
»Das haben Sie.« Er nickte. »Ich finde schon allein hinaus, Ms. Bodine. Danke für die Zeit, die Sie mir geopfert haben, und für den Kaffee.«
Zur Hölle mit ihm war alles, was sie denken konnte, als er gelassenen Schrittes die Küche verließ. Zur Hölle mit ihm, daß er so verdammt nüchtern und zugleich auf so subtile Weise verständnisvoll war.
Und zur Hölle mit ihnen. Zur Hölle mit Thomas Concannons Töchtern, weil sie sie suchten, um ihre Neugier zu befriedigen. Und ihr anboten, in bezug auf sie dasselbe zu tun.
Sie wollte sie nicht. Sie brauchte sie nicht. Sollten sie doch in Irland bleiben, gemütlich vor sich hin leben und sich freuen, daß jede von ihnen mit einem so brillanten Ehemann gesegnet war. Sie hatte ihr eigenes Leben, und es wurde höchste Zeit, daß sie die Scherben dieses Lebens zu kitten begann.
Sie wischte sich die Tränen, die sie unbewußt vergossen hatte, aus dem Gesicht, stapfte durch die Küche und schlug das Telefonbuch auf. Sie fuhr mit dem Finger die Seite hinab, und dann wählte sie.
»Ja, ich habe ein Haus, das ich verkaufen muß. Sofort.«
Eine Woche später war Shannon wieder in New York. Sie hatte einen Preis für das Haus festgelegt und hoffte, daß der Verkauf schnell über die Bühne ging. Das Geld war ihr vollkommen egal. Sie hatte entdeckt, daß sie mit einem Mal sehr wohlhabend war. Der Tod ihrer Eltern hatte ihr beinahe eine halbe Million beschert, die ihr Vater im Lauf der Jahre durch clevere Investitionen zusammengebracht hatte. Wenn sie dieses Geld und die Summe, die ihr bereits direkt von ihm hinterlassen worden war, zusammennahm, konnte sie davon ausgehen, daß sie für den Rest ihres Lebens jeder Sorge über etwas so Triviales wie Geld enthoben war.
Sie hatte nur eine Waise werden müssen, und schon war sie eine reiche Frau.
Dennoch hatte Colin Bodine sie genug gelehrt, um zu wissen, daß das Haus verkauft werden mußte, und zwar zu einem angemessenen Preis. Einen Teil der Möbel, die sie einfach nicht hatte verkaufen oder verschenken können, hatte sie in einem Lagerraum untergestellt. Sicher hatte es noch ein wenig Zeit, ehe sie entschied, was mit jeder einzelnen Vase und jeder Lampe anzufangen war.
Shannon hatte nur ein paar Stücke, an denen sie besonders hing, darunter sämtliche Bilder, die sie über die Jahre hinweg für ihre Eltern gefertigt hatte, nach New York geschickt.
Sich von ihnen zu trennen brachte sie einfach nicht übers Herz.
Obgleich ihr Vorgesetzter ihr angeboten hatte, daß sie den Rest der Woche zu Hause blieb, war sie sofort nach ihrer Rückkehr aus Columbus ins Büro zurückgekehrt. Sie war sicher gewesen, daß Arbeit die Antwort auf ihre Probleme war.
Das neue Projekt, mit dem sie betraut worden war, erforderte all ihre Aufmerksamkeit, und sie hatte gerade erst damit begonnen, als sie zu ihrer Mutter gerufen worden war. Sie hatte kaum zwei Wochen Zeit gehabt, sich an die neue Verantwortung, an die neue Position zu gewöhnen.
Sie hatte lange dafür gearbeitet, und nun stieg sie endlich auf der Karriereleiter nach oben, mit dem schnellen und gleichmäßigen Tempo, das sie sich vorgestellt hatte. Ihr gehörte das begehrte Eckbüro, ihr Kalender war mit Besprechungs- und Präsentationsterminen angefüllt. Der Präsident des Unternehmens kannte ihren Namen, respektierte ihre Arbeit und hatte größere Dinge mit ihr vor.
Etwas anderes hatte sie nie gewollt, gebraucht oder geplant.
Wie hätte sie wissen sollen, daß mit einem Mal nichts in ihrem Büro mehr von Bedeutung war. Wirklich nichts.
Weder ihr Zeichenbrett noch ihr Arbeitsmaterial, noch der wichtige Kunde, den sie an genau dem Tag, an dem sie aus Columbus angerufen worden war, übernommen hatte und an einen Kollegen abzugeben gezwungen gewesen war. Es war einfach egal. Die Beförderung, für die sie sich krumm gelegt hatte, schien sie nichts mehr anzugehen. Ebensowenig wie das ordentliche, sorgfältig geplante Leben, das sie geführt hatte. Nun schien es das Leben eines anderen Menschen gewesen zu sein.
Sie merkte, daß sie auf das Gemälde von ihrem im Liegestuhl schlafenden Vater sah. Es lehnte immer noch an der Wand, denn aus ihr unverständlichen Gründen wollte sie nun doch nicht, daß es in ihrem Büro über ihrem Schreibtisch hing.
»Shannon?« Die Frau, die den Kopf durch die Tür streckte, war tadellos
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