Nora Roberts
roch nach Pferden und nach Gras, und aus der Ferne vernahm sie leisen Donnergroll.
Er ist zurückgekommen, war alles, was sie denken konnte, ehe sie ganz in der Liebkosung versank.
Sie war für ihn die Erfüllung jedes Traums. Sie im Arm zu halten, sie in demselben Verlangen erschaudern zu spüren, das er empfand, war das wunderbarste Gefühl. Ihr Mund schien wie dafür geschaffen zu sein, daß er mit seinen Lippen verschmolz, und ihr Geschmack war dunkel, geheimnisvoll und reif.
Irgendwann würde er sie neben sich ins warme Gras ziehen, irgendwann wäre er, Leib auf Leib und Fleisch auf Fleisch, mit ihr vereint. Irgendwann wäre sie willig, bereit und feucht für ihn. Und irgendwann schöbe er sich, endlich, tief in sie hinein.
Aber dieses Mal war ihr Mund genug. Er verweilte auf ihren Lippen, genoß und besaß, ehe er sich mit dem Versprechen weiterer Liebkosungen sanft von ihr zu lösen begann.
Mit zitternden Händen strich er ihr zart über Gesicht und Haar. Ihre Wangen waren gerötet, wodurch sie noch an Lieblichkeit gewann. Wie hätte er vergessen sollen, wie schlank und geschmeidig sie und wie wahr und schön der Schimmer ihrer Augen war!
Seine Hand auf ihrem Haar, runzelte er die Stirn.
»Dein Haar war damals länger, und deine Wangen waren regennaß.«
Sie hatte immer gedacht, es wäre ein lächerliches romantisches Klischee, doch tatsächlich war ihr so schwindlig, daß sie, um nicht zu schwanken, eine Hand an ihre Schläfe hob. »Was?«
»Als wir uns hier zum letzten Mal begegnet sind.« Er lächelte. Er hatte Visionen und Magie schon immer ebenso akzeptiert wie die Tatsache, daß sein Herz bereits lange vor diesem ersten Kuß verloren gewesen war. »Ich habe mich schon seit einer Ewigkeit danach gesehnt, dir endlich nahe zu sein.«
»Wir kennen uns noch gar keine Ewigkeit.«
»Oh doch. Meinst du, daß du dich, wenn ich dich noch einmal küsse, besser daran erinnern wirst?«
»Ich glaube nicht.« Egal, wie idiotisch es war, hob sie abwehrend die Hand. »Es war überwältigender, als ich erwartet hätte, und ich denke, daB es für uns beide das beste wäre, wenn wir von nun an wieder – getrennte Wege gehen.«
»Solange das Ziel dieser Wege dasselbe ist.«
Sie ließ ihre Hand sinken, denn wenn sie sich einer Sache sicher war, dann, daß er sie nicht bedrängen würde.
»Ich wüßte nicht, daß es das ist.«
»Es reicht, wenn es einer von uns beiden weiß. Aber jetzt habe ich eine Verabredung.« Er berührte ein letztes Mal ihr Gesicht. »Also dann, heute abend bei mir.« Während er sich über die Mauer schwang, sah er sie an. »Ich denke nämlich nicht, daß du so feige bist und zu Hause bleibst, nur weil der Kuß dir gefallen hat.«
Es lohnte sich nicht, verärgert zu sein, weil er ihre Gedanken zu lesen schien, und so wandte sie sich wortlos ihrem Gemälde zu. »Ich bin nicht feige. Und ich habe schon vorher gerne Männer geküßt.«
»Sicher hast du das, Shannon Bodine, aber noch keinen so gerne wie mich.«
Pfeifend ging er davon, und sie wartete, bis er außer Hörweite war, ehe sie lauthals zu lachen begann.
Shannon war sich sicher, daß sie mit ihren achtundzwanzig Jahren aufgrund wechselnder Erfahrungen das Spiel zwischen Mann und Frau durchaus verstand, und trotzdem machte der Gedanke an die abendliche Verabredung sie ungewohnt nervös.
Was vielleicht daran lag, daß Brianna wie eine aufgeregte Mutter vor dem Debüt ihrer einzigen Tochter durchs Haus geflattert war. Der Gedanke zauberte ein Lächeln auf Shannons Gesicht. Brianna hatte ihr angeboten, ihr ein Kleid zu bügeln, ihr ein anderes Kleid zu borgen, und war zweimal mit Vorschlägen für passende Accessoires und Schuhe in ihrem Zimmer aufgetaucht.
Shannon nahm an, daß sie eine große Enttäuschung für Brianna gewesen war, als sie in einer bequemen Hose und einer schlichten Seidenbluse herunterkam.
Was Brianna allerdings nicht davon abgehalten hatte, ihr wiederholt zu erklären, wie hübsch sie war, daß sie den Abend genießen und bleiben sollte, solange es ihr gefiel. Wäre Gray nicht aufgetaucht und hätte seine Frau in den Flur hinausgezerrt, stünde sie wohl immer noch in der Küche herum.
Shannon nahm an, daß Briannas Verhalten das einer Schwester gewesen war, ein Gedanke, den sie seltsamerweise als durchaus angenehm empfand.
Sie war dankbar, daß Brianna und Gray sie gedrängt hatten, den Wagen zu nehmen, statt zu Fuß zu gehen. Es war nicht weit bis zu Murphys Haus, aber nach Sonnenuntergang wäre die
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