Nora Roberts
als von Hand zu melken – das habe ich als Junge noch gemacht –, aber es ist der schnellere, sauberere und effizientere Weg.«
»Jeden Tag«, murmelte Shannon.
»Morgens und abends«, sagte er.
»Ziemlich viel Arbeit für einen Mann allein.«
»Der Junge von der Nachbarfarm hilft mir dabei. Dafür helfe ich, wenn es bei ihnen an die Ernte geht.«
Während sie sich den Stall, die Scheune, den Silo und die zahlreichen Unterstände besah, dachte sie, daß ein Junge angesichts all der Arbeit wohl kaum eine große Hilfe war.
Aber dann vergaß sie all den Schweiß, all die Arbeit, die jeden Tag vonnöten war, als er mit ihr zu seinen Pferden ging.
»Oh, aus der Nähe betrachtet, sind sie noch viel schöner, als wenn man sie aus der Entfernung sieht.« Zu begeistert, um ängstlich zu sein, hob sie die Hand und strich dem kastanienbraunen Stutenfohlen über das Gesicht.
»Das ist meine Jenny. Sie verkaufe ich niemals. Ja, braves Mädchen.« Beim Klang seiner Stimme wandte das Pferd seine Aufmerksamkeit sofort Murphy zu. Hätte Shannon geglaubt, daß so etwas möglich wäre, dann hätte sie geschworen, daß die Kleine mit ihm flirtete.
Weshalb eigentlich nicht? Welches weibliche Wesen könnte diesen großen, geschickten Händen, ihrer Art zu streicheln, zu liebkosen, wohl widerstehen? Oder dieser sanften Stimme, wenn sie närrische Kosenamen flüsterte?
»Bist du schon einmal geritten, Shannon?«
»Hmm.« Sie schluckte hart. »Nein, noch nie. In der Tat schätze ich, daß ich einem Pferd noch nie näher gekommen bin als in diesem Augenblick.«
»Aber du hast keine Angst vor ihnen, so daß du es bestimmt leicht lernst, wenn du es willst.«
Er führte sie weiter, hörte sich ihre begeisterten Rufe an, als sie die neugeborenen Fohlen sah, und beobachtete, wie sie über den lebhaften Braunen lachte, der ihre Bluse angeknabbert hätte, hätte er ihm nicht eilig die Hand auf die Nüstern gelegt.
»So aufzuwachsen ist bestimmt wunderbar«, bemerkte sie auf dem Rückweg zum Haus. »All dieser Platz, all diese Tiere.« Lachend zog sie an der Hintertür ihre Stiefel aus. »Wobei man natürlich die Arbeit nicht vergessen darf. Aber da du geblieben bist, hast du offenbar selbst sie geliebt.«
»Ich gehöre hierher. Komm doch herein und setz dich an den Tisch. Ich habe einen feinen Wein, der dir sicher schmekken wird.«
Gut gelaunt trat sie neben ihn an die Spüle und wusch sich die Hände. »Wollte sonst niemand von deiner Familie bleiben und den Hof bewirtschaften?«
»Ich bin der älteste Sohn, und als mein Vater starb, habe ich den Hof geerbt. Meine älteren Schwestern haben das Haus verlassen, geheiratet und eigene Familien gegründet.« Er nahm eine Flasche aus dem Kühlschrank und einen Korkenzieher aus der Schublade. »Dann hat meine Mutter wieder geheiratet, und meine jüngere Schwester Kate hat ihren jetzigen Mann kennengelernt. Ich habe noch einen jüngeren Bruder, aber der wollte weiter zur Schule gehen und Elektriker werden.«
Während er den Wein einschenkte, sah sie ihn mit großen Augen an. »Wie viele Geschwister seid ihr denn?«
»Fünf. Eigentlich sechs, aber meine Mutter verlor ihren dritten Sohn, als er noch ein Säugling war. Mein Vater starb, da war ich zwölf, und sie heiratete erst wieder, als ich bereits über zwanzig war, so daß es bei uns Fünfen blieb.«
»Daß es dabei blieb.« Lachend schüttelte sie den Kopf und hätte ihr Glas genommen, als er plötzlich ihre Hand ergriff.
»Auf daß du an kalten Abenden warme Worte hast, in dunklen Nächten einen vollen Mond und daß es bis zu deiner Haustür immer nur bergab geht.«
»Sláinte«, sagte sie und hob lächelnd ihr Glas. »Deine Farm gefällt mir, Murphy.«
»Das freut mich, Shannon.« Dann überraschte er sie, indem er sich über die beugte und ihr einen Kuß auf die Stirn gab.
Während es draußen leise zu regnen begann, richtete er sich wieder auf und wandte sich dem Ofen zu. Der Duft, der durch die offene Tür in die Küche drang, führte dazu, daß ihr das Wasser im Mund zusammenlief.
»Wie konnte ich nur jemals denken, daß die Iren schlechte Köche sind?«
Er zog das Hühnchen heraus und stellte es auf den Herd. »Nun, es stimmt, daß unsere Küche meistens ziemlich farblos ist. Als Junge habe ich das nie bemerkt. Aber als Brie mit ihren kulinarischen Experimenten begann und mich zum Probeessen einlud, fing ich an zu sehen, daß meine eigene Mutter nicht unbedingt die allerbeste Köchin ist.« Er blickte über seine
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