Nora Roberts
von
ihrem Platz vor der Truhe wegbewegt.
»Mir knurrt
der Magen«, bemerkte sie eilig und setzte sich endlich in Bewegung. Unter
Slades aufmerksamen Blicken flitzte sie
von einem Schaufenster zum anderen und ließ die Rollladen herunter. Dann drehte
sie das Schild, auf dem > Geöffnet < stand, an der Tür um und schloss ab.
»Ihnen bestimmt auch«, setzte sie hinzu, als er schwieg. »Es ist schon nach
eins, und ich habe Sie den ganzen Vormittag Möbel schleppen lassen. Soll ich
ein paar Sandwiches zurechtmachen und eine Kanne Tee kochen?«
»Tee?«,
wiederholte Slade und schnitt eine gequälte Grimasse.
Ihr Lachen
entspannte sie ein wenig. »Na gut, dann keinen Tee. Vielleicht ein Bier? David
hat immer welches im Kühlschrank.« Sie huschte in den Hinterraum, öffnete die
Tür des kleinen Kühlschranks, kniete sich davor und kramte darin herum. »Ah
ja. Ich wusste doch, dass ich kürzlich noch eine Flasche gesehen habe.«
Jessica richtete sich im Umdrehen auf und stieß gegen seine Brust. Reflexartig
griff Slade nach ihrem Arm, ließ ihn aber sofort wieder los. Mit hämmerndem
Herzen machte sie einen Schritt von ihm weg. »Verzeihung, ich wusste nicht,
dass Sie hinter mir stehen. Ist das okay?« Eine Armlänge Sicherheitsabstand
haltend, reichte sie ihm die Bierflasche.
»Ja,
danke.« Sein Gesichtsausdruck verriet nichts, als er ihr die Flasche abnahm und
sich an den Tisch setzte. Die Verkrampfung in seinem Nacken hatte etwas
nachgelassen. Er musste darauf achten, sie nicht wieder anzufassen. Oder dem
Drang nachzugeben, diese ach so sinnlichen Lippen zu kosten. Wenn er erst
einmal ihre Lippen geschmeckt hatte, würde es kein Halten mehr geben. Die
Begierde, die in ihm schwelte, verdichtete sich in seiner Magengrube zu einem
glühenden Feuerball. Beinahe brutal drehte er die Verschlussklappe von der
Bierflasche.
»Ich richte
uns rasch ein paar Sandwiches.« Jessica kramte immer geschäftiger in dem
winzigen Kühlschrank herum. »Mögen Sie Roastbeef?«
»Ja, gern.«
Was ging in
ihm vor?«, fragte sie sich, darauf bedacht, ihre Hände zu beschäftigen. Es war
schier unmöglich zu erraten, was dieser
Mensch dachte. Sie hantierte gekonnt mit einem langen Messer, schnitt Weißbrot
und Fleisch in Scheiben und achtete
dabei stets darauf, Slade den Rücken zuzukehren. Als sie ihre
Hände ansah, musste sie unwillkürlich an Slades Hände denken. Er hatte so
lange, schlanke Finger. Und kräftige. Sie
gefielen ihr. Und im nächsten Augenblick fragte sie sich auch
schon, wie sie sich wohl auf ihrem Körper anfühlen mochten. Sachkundig,
erfahren, fordernd. Der Anflug von Verlangen,
der sie ergriff, war kurz, kam aber nicht unerwartet. Dagegen ankämpfend,
säbelte sie ein wenig hektischer an dem Stück Roastbeef herum.
Durch das
Fenster fiel ein Streifen Sonnenlicht genau auf ihr Haar und brachte auch die
verschiedenen Blautöne ihres Pullovers
zum Leuchten. Es gefiel ihm, wie sich das weiche Material an
ihren Körper schmiegte, den geraden, schlanken Rücken und die schmale Taille
betonte. Aber er bemerkte auch, dass
ihre Schultern verspannt waren. Er würde nicht weit kommen, wenn sie beide
gegen Gefühle ankämpften, die sie nicht zulassen wollten. Er musste sie dazu
bringen, sich zu entspannen und sie in eine Unterhaltung verwickeln. Und er
wusste genau, wie er das bewerkstelligen konnte.
»Das ist
wirklich ein toller Laden, Jessica.«
Ihm war
nicht bewusst, dass er sie zum ersten Mal mit ihrem Namen angesprochen hatte,
ihr hingegen sehr wohl. Und das freute sie ebenso wie das vorsichtige
Kompliment.
»Vielen
Dank.« Etwas spät fiel ihr ein, die Platte unter dem Wasserkessel anzuschalten.
Einstweilen stellte sie schon mal den Teller
mit den Sandwiches auf den Tisch. »Die Leute haben es inzwischen aufgegeben,
mein Geschäft als > Jessicas kleines Hobby < zu titulieren.«
»Was es das
zu Anfang?«
»Nein, für
mich nicht.« Sie stellte sich auf die Zehenspit zen, um eine Tasse aus dem
oberen Regal zu angeln, und Slade beobachtete interessiert, wie der Saum ihres
Rocks dabei nach oben rutschte. »Aber für viele Leute war es Jessica Winslows
Versuch, die Geschäftsfrau zu spielen. Möchten Sie ein Glas für Ihr Bier?«
»Nein.«
Slade hob die Flasche an den Mund und nahm einen kräftigen Schluck. »Und warum
ausgerechnet Antiquitäten?«
»Weil ich
schon immer ein Faible für alte Möbel hatte und mich ein wenig auf diesem
Gebiet auskannte. Es ist doch vernünftig, seine berufliche Laufbahn auf etwas
zu
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