Nora Roberts
nach
dem Verhör, dem man dich unterziehen wird, wirst du bestimmt nur noch mit
glasigem Blick dasitzen.«
»Ist es dir
denn wichtig, was sie von mir halten?«
»Aber
natürlich.« Die ganze Sache schien Dru irgendwie zu amüsieren. Sie zog ihren
Lippenstift aus der Handtasche und bemerkte dadurch nicht, wie sich sein
Kiefer anspannte. »Es geht mir um all die Leute, die mich nach meiner Trennung
von Jonah mit ihrem falschen Mitleid übergossen haben, all diejenigen, die mir
das Geschehene immer und immer wieder unter die Nase gerieben haben, in der
Hoffnung, dass ich etwas tun oder sagen würde, das sie bei nächster Gelegenheit
brühwarm weitererzählen konnten. All diese falschen Freunde sollen einen Blick
auf dich werfen und denken: > Nun sieh mal einer an, Dru ist ja wohl auf die
Füße gefallen, was? Sie hat sich il maestro giovane geangelt.« <
Seth
spürte, wie sich seine Nackenmuskulatur verspannte. »Ich bin also sozusagen
dein wandelndes Statussymbol«, sagte er und versuchte, seiner Stimme einen heiteren
Tonfall zu verleihen.
Dru zog
ihre Lippen nach und verschloss den Lippenstift wieder. »Du bist besser als
jede Harry-Winston-Diamantenhalskette. Es ist armselig, ich weiß, es ist
billig und auf eine erbärmliche Art typisch Frau. Aber das ist mir egal.
Offenbar habe ich gerade genug von meiner Mutter abbekommen, dass auch ich mit
dir angeben will.«
»Unsere
Herkunft holt uns eben immer wieder ein. Egal, wie weit wir auch davonlaufen.«
»Das ist
wirklich eine deprimierende Vorstellung. Wenn ich daran glaubte, würde ich von
der nächsten Klippe springen.
Ich werde bestimmt niemals den Vorsitz bei irgendwelchen Komitees führen und
jeden Mittwochnachmittag Damenkränzchen geben.«
Seth
schwieg, und Dru berührte instinktiv •zärtlich seinen Arm. »Zwei Stunden,
Seth. Allerhöchstens.«
»Wird schon
gut gehen«, sagte er.
Seth
bekam seine erste
Kostprobe von Drus früherem Leben nur wenige Minuten, nachdem sie den Ballsaal
betreten hatten.
Menschen
standen zu den gedämpften Klängen eines zwölfköpfigen Orchesters in kleinen
Gruppen beisammen oder schlenderten umher. Die Dekoration war in den patriotischen
Farben Rot, Weiß und Blau gehalten, die sich in Blumen, Tischdecken,
Luftballons und Fähnchen wiederholten.
Eine
riesige Eisskulptur stellte die im Wind flatternde amerikanische Flagge dar.
Auch an den
weiblichen Gästen war viel Weiß zu entdecken, oft in Form von Diamanten und
Perlen. Die Kleidung wirkte konservativ, traditionell und sehr, sehr teuer.
Diese
Veranstaltung schien offenbar zum Teil eine politische Versammlung, zum Teil
ein gesellschaftliches Ereignis und zum Teil eine Klatschbörse zu sein.
Seth würde
sie in Acrylfarben malen. Leuchtende Farben und Formen in grellem Kunstlicht.
»Drusilla!«
Katherine kam in prächtigem Militärblau herangerauscht. »Du siehst hübsch aus,
Liebes. Aber hatten wir uns nicht auf das weiße Valentino-Kleid geeinigt?«
Sie küsste
Dru auf die Wange und strich ihr mit einem nachsichtigen »Ts-ts« über das Haar.
»Wie schön,
Sie wiederzusehen, Seth«, fuhr sie an Seth gewandt fort. Sie hielt ihm ihre
Hand hin. Ich dachte schon, Sie wären im Verkehr stecken geblieben. Ich hatte
so sehr gehofft, Sie und Dru würden für das Wochenende unsere Gäste sein, damit
Ihnen diese schreckliche Hin- und Herfahrerei an einem Tag erspart bliebe.«
Seth hörte
zum ersten Mal von solchen Plänen, aber er schaltete schnell. »Vielen Dank für
die Einladung, aber ich konnte mich leider nur für den einen Abend freimachen.
Ich hoffe, Sie vergeben mir und reservieren einen Tanz für mich. Auf diese
Weise werde ich sagen können, dass ich mit den beiden schönsten Frauen im Saal
getanzt habe.«
»Wie
charmant von Ihnen« Katherines Wangen färbten sich zartrosa. »Sie können sich
sicher sein, dass ich genau das tun werde. Aber kommen Sie nur, ich werde Sie
vorstellen. Es gibt hier so viele Leute, die sich darauf freuen, Sie kennen zu
lernen.«
In diesem
Moment kam Drusillas Vater mit großen Schritten auf sie zu. Er war ein
auffallend gut aussehender Mann mit silbernen Strähnchen im schwarzen Haar und
dunkelbraunen Augen mit schweren Lidern. »Da ist ja meine Prinzessin« Er umfing
Drusilla in einer heftigen und besitzergreifenden Umarmung. »Ihr seid spät
dran, ich hatte mir schon Sorgen gemacht.«
»Wir sind
überhaupt nicht spät dran.«
»Um Himmels
willen, das Mädchen bekommt ja gar keine Luft mehr«, sagte Katherine und zerrte
an
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