Nora Roberts
noch
ein paar Minuten.«
»Würde dich
meine Meinung über Leute interessieren, die kein Nein akzeptieren können?«
»Im
Augenblick nicht.« Er musste sie irgendwie beschäftigen, am Reden halten. Mein
Gott, es war einfach alles perfekt – das Licht, das Gesicht, dieser kühle
Blick aus moosgrünen Augen. »Wie ich höre, erledigt der alte Mr Gimball die
Auslieferungen für dich. Funktioniert das gut?«
»Wunderbar.
Er wird übrigens jeden Moment an der Hintertür klopfen und ...«
»Der wird
schon warten, keine Sorge. Mr Gimball hat mich in der Highschool in Geschichte
unterrichtet. Er kam mir damals schon uralt und ebenso verstaubt vor wie die
Präsidenten, über die er uns Vorträge hielt. Einmal haben einige von uns eine
riesige Schlangenhaut gefunden. Die haben wir mit ins Klassenzimmer genommen
und vor der dritten Stunde zusammengerollt auf Mr Gimballs Stuhl gelegt.«
»Ihr
dachtet wahrscheinlich, das sei umwerfend komisch.«
»Was
glaubst denn du? Ich war elf. Ich habe mir vor Lachen beinahe eine Rippe
gebrochen. Habt ihr in eurer Privatschule für Mädchen denn nie solche Nummern
abgezogen?«
»Nein –
Warum glaubst du eigentlich, dass ich auf eine Privatschule gegangen bin?«
»Ach, mein
Engel, das steht dir einfach ins Gesicht geschrieben.« Er trat zurück und
nickte der Leinwand zu. »Und es steht dir verdammt gut.« Er verwischte eine
Linie noch ein wenig mit dem Daumen, bevor er zu ihr hinüberblickte. »Sollen
wir das jetzt als Modell sitzen bezeichnen oder als unser zweites Rendezvous?«
»Weder
noch.« Dru musste ihre ganze Willenskraft aufbringen, aber sie verkniff es
sich, das Zimmer zu durchqueren, um einen Blick auf die Leinwand zu werfen.
»Zweites
Rendezvous«, entschied er, warf die Kreide zur Seite und griff geistesabwesend
nach einem Tuch, um sich die Hände abzuwischen. »Schließlich hast du mir Blumen
mitgebracht.«
»Eine
Pflanze«, korrigierte sie ihn.
»Wortklauberei!
Willst du das Bild wirklich?«
»Es kommt
darauf an, wie sehr sich mein Wollen auf den Preis auswirkt.«
»Du bist
eine ziemliche Zynikerin.«
»Zynismus
wird meiner Ansicht nach sehr unterschätzt. Warum nennst du mir nicht den Namen
deines Agenten? Dann werden wir weitersehen.«
Wie
wunderbar sich ihr kurzes, glattes Haar an die Form ihres Kopfes schmiegte. Er
wollte mehr als sie zeichnen. Er wollte sie malen.
Und sie
berühren. Mit seinen Händen über dieses seidige, dichte Schwarz streicheln,
bis er seine Beschaffenheit im Schlaf kannte.
»Wie wäre
es stattdessen mit einem Tauschgeschäft unter Freunden? Du sitzt für mich
Modell, und es gehört dir.«
»Ich
dachte, das hätte ich gerade getan.«
»Nein, ich
will dich in Öl.« Und in Aquarell und in Pastell, fügte er in Gedanken hinzu.
Und im
Bett.
Er hatte in
den letzten Tagen viel Zeit darauf verwandt, über sie nachzudenken. Genug Zeit,
um zu dem Schluss zu kommen, dass eine Frau wie Dru – mit ihrem Aussehen und
ihrer Herkunft – daran gewöhnt sein musste, dass Männer sich um sie bemühten.
Also hatte
er sich absichtlich zurückgezogen und da rauf gewartet, dass sie den nächsten
Schritt tun würde. Seiner Ansicht nach hatte sie ihn soeben getan – in Form
einer Topfpflanze.
Er wollte
sie, und zwar als Künstler und als Mann. Es war ihm egal, was zuerst kam, so
lange er nur beides bekommen würde.
Sie
richtete ihren Blick erneut auf das Bild mit dem Fingerhut. Es war immer wieder
ein Vergnügen, aber auch ein gewisser Schock für Seth, wenn er die Bewunderung
im Blick eines Menschen sah, der seine Arbeit betrachtete. Und als er jetzt Dru
beobachtete, wusste er, dass er sie zumindest als Künstler beeindruckt hatte.
»Ich muss
mich um meinen Laden kümmern«, begann sie.
»Ich werde
dich malen, wenn er geschlossen ist. Gib mir eine Stunde am Morgen, bevor du
öffnest, wenn das möglich ist. Und vier Stunden sonntags.«
Sie runzelte
die Stirn. So gesehen schien es nicht sehr viel zu sein. Und das Gemälde war
einfach hinreißend. »Für wie lange?«
»Das weiß
ich noch nicht.« Er spürte eine gewisse Gereiztheit in sich aufsteigen. »Hier
geht es um Kunst, nicht um Buchführung.«
»Hier im
Atelier?«
»Für den
Anfang jedenfalls.«
Sie
überlegte, ging in Gedanken das Für und Wider durch. Hätte sie doch nie einen
Blick auf das verdammte Bild geworfen. Und da es dumm war, ein Geschäft einzugehen,
ohne alle Bedingungen zu kennen, schritt sie auf die Staffelei zu, um einen
Blick auf die Leinwand zu werfen. Und blickte
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