Nora Roberts
Als sie den
Ausdruck auf seinem Gesicht sah, begriff sie, was er meinte. »Oh, das feine
Blumenmädchen wird also tatsächlich für den berühmten Künstler Modell sitzen.
Ich habe übrigens noch ein paar nette Dinge über die Dame erfahren.«
»Klatsch
und Tratsch interessieren mich nicht.« Seth schaffte es beinahe zehn Sekunden
lang, dazu zu stehen, ehe er fragte: »Was für Sachen?«
Ȇberaus
interessante, mein Schatz. Ich habe es von Jamie Styles, die es von ihrem
Cousin gehört hat, der vor ein paar Jahren Amtsbote im Senat gewesen ist. Dru
und ein Berater, der wohl ein ziemlich hohes Tier im Weißen Haus ist, sollen
damals eine heiße Affäre gehabt haben.«
»Wie heiß?«
»So heiß,
dass sie beinahe ein ganzes Jahr lang immer wieder auf der Gesellschaftsseite
der Post auftauchte. Und so heiß, dass sie einen Verlobungsring
rechtfertigte, der laut Jamies Cousin einen Diamanten in der Größe eines
Türknaufs hatte. Und dann war der Diamantring plötzlich verschwunden, die ganze
Sache kühlte sich dramatisch ab, und das hohe Tier tauchte mit einer Blondine
in den Klatschspalten auf.«
»Dru war
verlobt?«
»Ja. Aber
nur kurz, wenn man meiner Quelle glauben kann. Es stellte sich heraus, dass
sich zwischen der Blondine und dem hohen Tier schon vor der geplatzten
Verlobung etwas abgespielt hatte, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Er hat Dru
mit dem Püppchen betrogen?«
»Nun, das > Püppchen < , wie du sie nennst, war – ist – eine erfolgreiche Anwältin,
die fürs Weiße Haus arbeitet.«
»Muss hart
für Dru gewesen sein, als ihr Privatleben in der Presse breitgetreten wurde.«
»Sie macht
mir nicht den Eindruck, als würde sie sich unterkriegen lassen. Die lässt sich
bestimmt nicht als Fußabtreter benutzen. Und ich wette einen Monatslohn, dass
der Typ von ihr ganz schön durch die Mangel gedreht worden ist, bevor sie ihm
den Ring vor die Füße geworfen hat.«
»Du hättest
das bestimmt getan«, erwiderte Seth stolz. »Und anschließend hättest du den
Boden mit ihm gewischt. Aber Dru scheint mir nicht der gewalttätige Typ zu
sein. Sie hat ihn bestimmt durch einen kühlen Blick und einige eisige Worte
erfrieren lassen.«
Aubrey
schnaubte verächtlich. »Was weißt du schon über Frauen? Stille Wasser, mein
Freund. Die sind nicht nur tief, sondern da unten kann es auch ganz schön brodeln.«
Mag
sein, dachte Seth, als
er sich völlig verdreckt und mit schmerzenden Knochen hinter das Lenkrad seines
Wagens setzte. Aber er würde ein gehöriges Sümmchen darauf verwetten, dass Dru
den Kerl zurechtgestutzt hatte, ohne auch nur einen einzigen Blutstropfen dabei
zu vergießen.
Er wusste
wie es war, wenn private Dinge – peinliche, intime Details – von der Presse
breitgetreten wurden.
Vielleicht
war sie hierher gekommen, um all dem zu entfliehen. Er konnte sehr gut
nachempfinden, wie sie sich fühlte.
Beim
Losfahren warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. Er könnte jetzt diese
Pizza, von der Aubrey gesprochen hatte,
gut gebrauchen und es schien verschwendete Zeit zu sein, erst den ganzen Weg
nach Hause zurückzulegen, um zu duschen und dann wieder in die Stadt zurückzufahren.
Also nahm
er sich vor, im Atelier vorbeizufahren und sich dort die Spuren der Arbeit vom
Körper zu waschen.
Er hatte
einige Handtücher und Seife ins Bad gelegt und sogar einmal daran gedacht,
frische Jeans und einige Hemden und T-Shirts mitzubringen.
Vielleicht
war Dru ja immer noch im Laden, und er konnte sie überreden, in die Pizzeria
mitzukommen. Was dann ja wohl als ihr drittes Rendezvous zählen würde, dachte
er zufrieden.
Wahrscheinlich
würde sie wieder dieses kühle »Das-finde-ich-gar-nicht-lustig-Gesicht«
aufsetzen, wenn er das Essen als Rendezvous bezeichnete. Und dabei würden ihre
Augen funkeln, was ihren Sinn für Humor verriet.
Seth war
verrückt nach diesem Kontrast.
Er hätte
Stunden, nein Tage, damit verbringen können, die vielen Variationen von Licht
und Schatten an Dru zu betrachten.
Aber ihr
Wagen stand nicht auf dem kleinen Parkplatz hinter dem Gebäude. Er zog in Erwägung,
sie anzurufen, um sie zu überreden, noch herzukommen, doch dann fiel ihm ein,
dass er kein Telefon hatte.
Darum würde
er sich demnächst kümmern müssen. Aber da er sie nicht von hier anrufen konnte,
würde er sich duschen, zu Village Pizza hinüberdüsen und sie dort von
einem öffentlichen Telefon aus anrufen.
Irgendjemand
würde schon ihre Nummer haben.
Besser wäre
es allerdings, eine Pizza zum
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