Nora Roberts
noch so lang, dass sie hinten
über den Halsausschnitt seines abgetragenen T-Shirts reichten, aber der Pferdeschwanz
war verschwunden. Dru stellte überrascht fest, dass sie ihn vermisste. Sie war
eigentlich immer der Ansicht gewesen, dass ein Pferdeschwanz bei einem Mann
ein Zeichen für Affektiertheit war.
Seth hatte
sich sogar rasiert, und man hätte sein Aussehen beinahe als gepflegt
bezeichnen können, wenn da nicht die Löcher in den Knien seiner Jeans und die
Farbspritzer auf seinen Schuhen gewesen wären.
»Nein
danke. Ich habe heute Morgen schon eine Tasse getrunken.«
»Nur eine?«
Er schloss die Tür hinter ihr. »Mit solch einer geringen Koffeindosis wäre ich
kaum imstande, einen zusammenhängenden Satz zu sprechen. Wie schaffst du das
nur?«
»Willenskraft.«
»Davon
besitzt du jede Menge, stimmt's?«
»In der
Tat.«
Amüsiert
betrachtete er, wie sie die kleine Zeitschaltuhr – genau auf sechzig Minuten
eingestellt – auf seinem Arbeitstisch platzierte und dann geradewegs auf den
Stuhl zuschritt, den er für sie bereitgestellt hatte, um sich darauf niederzulassen.
Sie
bemerkte die Veränderung sofort.
Er hatte
ein Bett gekauft, ein altes schwarzes Eisenbett mit einem schlichten, hohen
Kopfteil. Die Matratze war nackt und trug noch die Etiketten.
»Ziehst du
doch noch ein?«
Er warf
einen kurzen Blick auf das Bett. »Nein. Aber das da ist besser als der Boden,
wenn ich einmal bis tief in die Nacht arbeite und hier übernachte. Außerdem ist
es eine gute Requisite.«
Ihre Brauen
wanderten ein wenig in die Höhe. »Ach, wirklich?«
»Denkst du
eigentlich auch einmal an etwas anderes als Sex, oder kannst du einfach nicht
anders, wenn ich in der Nähe bin?«
Er musste lachen, als er sah, wie ihr der Mund offen stehen blieb. »Das Bett
ist eine Requisite wie der Stuhl dort drüben oder diese alten Flaschen«, fuhr
er fort, während er
zu seiner Staffelei hinüberging. Er deutete zu den Flaschen hinüber, die in
einer Ecke gestapelt waren.
»Oder wie
die Urne oder auch die blaue Schüssel mit dem Sprung, die ich in der Küche
stehen habe. Wenn ich etwas sehe, was mir gefällt, nehme ich es mir.«
Er
betrachtete mit zuckenden Mundwinkeln seine Farben. »Frauen natürlich
eingeschlossen.«
Dru
entspannte ihre Schultern. Er würde es bemerken, wenn sie verkrampft waren, und
dann würde sie sich nur noch alberner vorkommen. »Das war ja eine ziemlich lange
Rede für ein einziges > Ach, wirklich? < .«
»Du packst
ja auch eine ganze Menge in ein einziges > Ach, wirklich? < , mein Engel.
Erinnerst du dich noch an die Pose?«
»Ja.«
Gehorsam stützte Dru ihren Fuß auf den Querstab des Stuhls, schlang die Hände
um ihr Knie und blickte dann über ihre linke Schulter, als habe sie gerade jemand
angesprochen.
»Perfekt.
Das machst du richtig gut.«
»Ich habe
erst vor ein paar Tagen eine ganze Stunde auf diese Weise zugebracht.«
»Eine
Stunde«, wiederholte er, als er mit seiner Arbeit begann, »bevor du dich
aufgemacht hast, um dich den zügellosen
Ausschweifungen des Wochenendes hinzugeben.«
»Ich bin derart an zügellose
Ausschweifungen gewöhnt, dass sie keine großen Auswirkungen auf mein Leben haben.«
Jetzt war
er an der Reihe. »Ach, wirklich?«
Er ahmte
ihren Tonfall so perfekt nach, dass Dru ihre Pose vergaß und lachend zu ihm
hinüberblickte. Er brachte es immer fertig, sie zum Lachen zu bringen. »Ich
hatte zügellose Ausschweifungen als Hauptfach an der Uni.«
»Wer's
glaubt.« Seine Finger beeilten sich, dieses strahlende, wunderschöne Lachen
einzufangen. »Du gehörst zu dem Typ Frau, der Kerle wie mich leiden und träumen
lässt – schön, klug, sexy und unnahbar.«
Damit hatte
er offenbar das Falsche gesagt, denn das Lächeln auf ihrem Gesicht erstarb ganz
plötzlich – als wenn jemand einen Schalter betätigt hätte. »Du weißt doch gar
nichts über mich oder meinen Typ.«
»Ich wollte
dich nicht verletzen. Tut mir Leid.«
Sie zuckte
mit den Schultern. »Ich kenne dich nicht gut genug, um mich von dir verletzen
zu lassen, aber so gut, dass es dir durchaus gelegentlich gelingt, mich wütend
zu machen. «
»Dann tut
mir auch das Leid. Es war nur ein Scherz. Ich höre dich so gern lachen. Und
sehe dir so gern dabei zu.«
»Unnahbar.«
Bevor sie es verhindern konnte, murmelte Dru das Wort vor sich hin. Nach einer
Weile fragte sie: »Hast du mich wirklich für so verdammt unnahbar gehalten,
als du mich gepackt und geküsst hast?«
»Du musst
dir eins vor Augen
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