Nora Roberts
kommen?«
»Ich muss
mit Seth reden.«
»Bist du
böse auf ihn?«
»Sehe ich
so aus?«
»Nein«,
erwiderte Jake nachdem er das Gesicht seines Vaters aufmerksam gemustert hatte.
»Aber du kannst in solchen Dingen ja manchmal ziemlich raffiniert sein.«
»Ich muss
nur mit ihm reden.«
Jake zuckte
mit einer Schulter, aber Cam sah die Enttäuschung in seinen Augen – Annas
dunklen Augen – bevor er sich wieder auf den Boden plumpsen ließ und nach
seinem Joystick griff.
Cam hockte
sich neben ihn. Er nahm den Geruch von Kaugummi und jugendlichem Schweiß wahr.
Auf den Knien von Jakes Jeans prangten große Grasflecken, und die Schnürsenkel
seiner Schuhe waren nicht zugebunden.
Cam spürte,
wie ihn wieder einmal jenes intensive Gefühl aus Liebe und Stolz und
Verblüffung überkam und sich zu einer einzigen starken Faust vereinte, die
gegen sein Herz drückte.
»Ich liebe
dich, Jake«, sagte er und strich seinem Sohn über das Haar.
»Oh Mann!«
Jake zog die Schultern hoch und schaute seinen Vater an. »Schon gut, weiß ich
ja.«
»Ich liebe
dich«, wiederholte Cam. »Aber wenn ich zurückkomme, wird es einen blutigen
Aufstand geben und einen neuen König von Quinnland. Und du darfst mir eins
glauben: Dann wirst du mein Untertan sein, mein Freund.«
»Das
hättest du wohl gern.«
Cam erhob
sich grinsend, als er den großspurigen Ausdruck auf Jakes Gesicht sah. »Die
Tage deiner Herrschaft sind gezählt. Fang schon mal an zu beten!«
»Ich werde
darum beten, dass du mich nicht vollsabberst, wenn du mich um Gnade anflehst.«
Irgendwie
habe ich einen Haufen Großmäuler großgezogen, dachte Cam, als er auf die
Hintertür zuging, und diese Erkenntnis erfüllte ihn mit einem gewissen Stolz.
»Was ist
denn los?«, erkundigte sich Seth und warf Cam ein Bier zu, als dieser aus der
Hintertür trat.
»Lass uns
segeln gehen.«
»Jetzt?«
Seth blickte zum Himmel. »In einer Stunde wird's dunkel.«
»Na und,
hast du etwa Angst im Dunkeln?« Cam schlenderte zum Anlegesteg und stieg
behände in den Zwei-Mann-Segler. Er stellte sein Bier zur Seite, während Seth
die Leine losmachte.
Seth hob
das Ruder, um sie vom Steg abzustoßen, wie er es schon unzählige Male zuvor
getan hatte. Dann hisste er das
Hauptsegel. Das Geräusch des flatternden Tuchs war Musik in seinen Ohren. Cam
saß am Ruder und brachte das Boot in eine gute Position, sodass sie ruhig und
beinahe lautlos dahinglitten, während sie sich vom Ufer entfernten.
Die Sonne
stand bereits tief. Ihre Strahlen verliehen dem Sumpfgras einen ganz eigenen
Glanz. Das Licht verlor sich in den schmalen Kanälen, wo die Schatten tief
wurden und das Wasser dunkel und geheimnisvoll war.
Cam und
Seth glitten für eine Weile auf dem Wasser dahin, manövrierten das Boot
zwischen Bojen hindurch, den Fluss
hinunter und in die Bucht hinein. Es begann zu schaukeln, doch Seth behielt
mühelos das Gleichgewicht, als er zum Hauptsegel auch noch den Klüver setzte
und beide trimmte.
Das
hölzerne Boot flog nur so dahin. Sein Rumpf glitzerte, und die schneeweißen
Segel blähten sich im Wind. Die Luft schmeckte salzig, und die Wellen waren
beinahe so blau wie der Himmel.
Das Gefühl
der Freiheit und die unbeschreibliche Freude, auf dem Wasser dahinzufliegen,
während die Sonne in der
Dämmerung immer schwächer wurde, vertrieben alle Sorgen,
alle Zweifel und allen Kummer aus Seths Herzen. »Beidrehen!«, rief Cam und
machte sich bereit zum Aufkreuzen, um noch mehr Tempo zu erreichen. In den nächsten
fünfzehn Minuten wechselten die beiden Männer kaum ein Wort.
Als die
Fahrt wieder langsamer wurde, streckte Cam die Beine aus und öffnete seine
Bierdose. »Also, dann erzähl mal, was mit dir los ist.«
»Was soll
mit mir los sein?«
»Annas
Radar sagt ihr, dass etwas mit dir nicht stimmt, und sie hat mir keine Ruhe
gelassen, bis ich ihr versprochen habe, herauszufinden, was es ist.«
Seth gewann
ein wenig Zeit, indem er seine eigene Dose öffnete und einen ersten kalten
Schluck Bier nahm.
»Ich bin
doch erst seit zwei Wochen wieder hier und muss mich um viele Dinge kümmern,
das ist alles. Ich muss herausbekommen, wie ich die Sachen angehe, muss mich
wieder eingewöhnen und so weiter. Kein Grund zur Panik.«
»Ich soll
also einfach zu Anna gehen und ihr sagen, sie müsse sich keine Sorgen machen?
Also, das wird nicht gerade wahre
Begeisterungsstürme auslösen, mein Freund.« Cam nahm einen weiteren Schluck
Bier. »Hör zu, wir müssen doch wohl nicht diesen ganzen > Du
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