Nora Roberts
bleibst und vor allem dir
selbst – das macht den Unterschied.«
Sie trat
zurück und blickte sich um. »Es wäre nicht schlecht, wenn du hier ab und zu
auch einmal aufräumen würdest. Nur weil du ein Künstler bist, musst du ja kein
Ferkel sein.«
»Ich werde
mich morgen früh darum kümmern.«
Sie warf
ihm einen ironischen Blick zu. »Das habe ich doch irgendwo schon einmal gehört.
Also, die junge Dame« – Stella wies mit dem Kopf auf die Leinwand – »ist
wirklich hübsch. Vielleicht zu hübsch – aber das ist ja wohl weniger dein
Problem, nicht wahr? Sie hat Angst davor, dass ihr Leben noch einmal aus den
Fugen geraten könnte. Unordnung verwirrt sie, ganz besonders, wenn es um ihre
eigenen Gefühle geht. Und du kannst dir ja sicher denken, dass die im
Augenblick, was dich angeht, ziemlich durcheinander sind.«
Er hob eine
Schulter auf eine Weise, die Stella lächeln ließ. »Ich bremse mich gerade
etwas. Es ist mir einfach zu anstrengend mit ihr.«
»Oh, verstehe.«
Stella zwinkerte ihm zu. »Rede dir das nur weiter ein, mein Junge.«
Seth hätte
gern das Thema gewechselt. Es machte ihm nichts aus, wenn seine Gefühle
durcheinander gerieten, aber momentan befanden sie sich in einem derart chaotischen
Zustand, dass er sich nicht sicher war, ob es ihm jemals gelingen würde, sie
wieder in Ordnung zu bringen.
»Cam sagte,
ich solle dich auf das Zucchini-Brot ansprechen.«
»So, sagte
er das? Vielleicht glaubt er, ich hätte die Geschichte schon vergessen. Nun,
du kannst ihm von mir ausrichten, dass ich immer noch meine fünf Sinne
beisammen habe, auch wenn ich tot bin. Ich war nie eine große Köchin. Ray hat
sich meistens ums Essen gekümmert. Aber hin und wieder wollte ich auch einmal
mitmischen. In einem Herbst hatte ich eine große Schwäche für Zucchini-Brot
entwickelt. Wir hatten Zucchini im Garten gepflanzt und in jenem Jahr ernteten
wir mehr, als wir überhaupt essen konnten. Vor allem, da Ethan das Zeug nicht
anrühren wollte. Also habe ich das Kochbuch hervorgeholt und mich an einem
Rezept für Zucchini-Brot versucht. Vier Brotlaibe habe ich gebacken und sie zum
Abkühlen auf ein Gitter gestellt. Ich war verdammt stolz auf meine Leistung.«
Sie
verstummte für einen Moment und blickte nachdenklich zur Decke, als lasse sie
die Erinnerung noch einmal vor ihrem inneren Auge vorüberziehen. »Ungefähr
eine halbe Stunde später kam ich in die Küche zurück und statt der vier Laibe
lagen da nur noch drei. Mein erster Gedanke war, dass die Jungs sich selbst
bedient hatten – was mir voller Stolz die Brust schwellen ließ. Bis ich dann
aus dem Fenster schaute. Und was glaubst du, was ich dort mitansehen musste?«
»Ich habe
keine Ahnung.« Aber Seth war sich sicher, dass er seinen Spaß daran haben
würde.
»Ich werde
dir erzählen, was ich da gesehen habe«, sagte Stella mit vorgerecktem Kinn.
»Meine Jungs und mein Göttergatte waren draußen im Garten und missbrauchten das
Zucchini-Brot, das ich im Schweiße meines Angesichts gebacken hatte, als einen
verdammten Football! Sie brüllten und jauchzten und warfen das Ding durch die
Luft, als befänden sie sich beim Super Bowl. Ich eilte wie der Blitz zur Tür
hinaus und war drauf und dran, den ganzen Haufen zusammenzustauchen. Genau in
dem Augenblick setzte Phil zu einem hohen, schnellen Wurf an, und Ethan lief
mit großen Schritten los, um das Brot zu fangen. Und Cam – er war immer schon
flink wie ein Wiesel – flitzte über den Rasen und sprang hoch, um es
abzufangen. Aber dabei verkalkulierte er sich. Das Brot traf ihn genau hier.«
Sie tippte
sich über der Braue an die Stirn. »Er ging sofort zu Boden und landete auf
seinem Hintern. Das verdammte Ding war nämlich steinhart.«
Sie lachte
und schaukelte dabei auf ihren Füßen vor und zurück. »Ethan schnappte sich das
Brot, stieg einfach über Cam hinweg, der mit verdrehten Augen dasaß, und machte
den Touchdown. Als ich bei Cam angekommen war, um nachzuschauen, wie es ihm
ging, hatte er sich schon wieder erholt, und alle vier grölten um die Wette.
Nach diesem Tag habe ich übrigens nie wieder Brot gebacken, das kannst du mir
glauben. Ach, ich vermisse die alten Zeiten. Und wie ich sie vermisse.«
»Ich
wünschte, ich hätte etwas Zeit mit dir verbringen können. Mit dir und Ray.«
Stella trat
auf ihn zu und strich ihm eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn. Diese
zärtliche Geste machte ihm das Herz ganz schwer.
»Darf ich
dich Grandma nennen?«
»Aber
natürlich, mein
Weitere Kostenlose Bücher