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Noras Erziehung

Noras Erziehung

Titel: Noras Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Belle
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vorbeiging, konnte ich nur ein paar Wortfetzen aufschnappen, bevor erst er und dann auch sie verstummten.
    «…   gehst du runter zum Fluss und bindest sie zusammen.»
    «Wie grausam!»
    Sie lächelte mich verlegen an, und ich fragte mich, was um alles in der Welt sie wohl am Fluss tun sollte und warum es so grausam von ihm war, sie darum zu bitten. Auch der merkwürdig schockierte und gleichzeitig erregte Tonfall von Violets Stimme machte mich neugierig, aber ich hatte jetzt keine Zeit, mir Gedanken über die seltsame Beziehung der beiden zu machen.
    Giles war noch immer dort, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Er wirkte sehr nonchalant, wie er da so mit einem Fuß gegen die Mauer gestützt dastand. Ebenso nonchalant, wie ich nervös war. Und wieder nickte er, nur dass er diesmal mit meinem Erscheinungsbild zufrieden zu sein schien.
    «Schon besser. Und jetzt komm.»
    Auf dem Weg über die Hauptstraße entspann sich ein lockeres Gespräch, bis wir schließlich in die Longwall Street einbogen, wo er sein Auto geparkt hatte. Es handelte sich um einen Audi TT, was entweder nahelegte, dass er stinkreich war oder sehr großzügige Eltern hatte. Da ich nicht als ehrfurchtsvolles kleines Mädchen rüberkommen wollte, sagte ich nichts und ließ mich auf den Beifahrersitz fallen, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt. Und auch er gab keinen Kommentar von sich. Giles hatte es eindeutig nicht nötig zu prahlen, und er richtete seine Aufmerksamkeiterst wieder auf mich, als wir die Magdalen-Brücke überquerten.
    «Wenn du auf dem St.   Boniface College bist, dann muss dein Tutor John Etheridge sein.»
    Ich hatte keine Ahnung, dass Dr.   Etheridge John hieß, und hätte es auch niemals gewagt, ihn bei seinem Vornamen zu nennen. Trotzdem gab ich mein Bestes, um möglichst lässig zu antworten. «Richtig.»
    «Und lass mich raten. In deiner Seminararbeit geht es um die viktorianische Arbeiterbewegung.»
    «Es geht um die Entwicklung der Theorien von sozialen Systemen im frühen zwanzigsten Jahrhundert.»
    «Beinahe. Er ist gut. Du wirst dich mit ihm verstehen.»
    Er war unglaublich selbstgefällig, und ich war entschlossen, ihn in seine Schranken zu weisen.
    «Du bist im zweiten Jahr, stimmt’s? Wenn man dich reden hört, könnte man meinen, du wärst Dozent.»
    Giles zuckte lediglich mit den Schultern und trat aufs Gas, um noch die grüne Ampel vor uns zu erwischen. Er verlangsamte das Tempo auch dann nicht, als wir den Berg an der Headington Road hinauffuhren, und nahm mit achtzig Stundenkilometern völlig gleichgültig auch noch einen Blitzer mit. Ich war Ewans Fahrstil gewöhnt, sodass sein Tempo mich nicht unbedingt störte. Aber trotzdem war ich wild entschlossen, seiner abstoßenden Arroganz zumindest einen kleinen Dämpfer zu verpassen. Die Chance, bei seiner Bemerkung über meinen Hintern entsprechend zu reagieren, hatte ich leider verpasst. Und als wir aus der Stadt rausfuhren, fing er an, mir die internen Strukturen des Studentenparlaments zu erklären, was durchaus wichtig für mich war.
    Als wir in Thame ankamen, war er so höflich undfreundlich, dass ich es mir anders überlegt hatte. Ich sagte mir, dass jeder, der so attraktiv und privilegiert war wie er, ein wenig eingebildet sein musste und dass ich meinen Stolz schlucken und das meiste aus der Bekanntschaft rausholen sollte. Das hieß allerdings nicht, dass ich mit ihm ins Bett gehen würde. Er wirkte zwar keineswegs, als wäre er darauf aus gewesen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er nur den richtigen Zeitpunkt abwartete.
    Das
Les Couleurs
lag vor den Toren der Stadt. Ein kleines Landhaus, das man zu einem Hotel mit angeschlossenem Restaurant ausgebaut hatte. Auf dem Vorhof standen eine Menge Autos, von denen die meisten neu und sehr teuer aussahen. Aus einem alten Daimler stieg in Sichtweite ein etwas betagteres Paar, das ebenfalls in Abendgarderobe war. Sein Anblick erzeugte eine gewisse Dankbarkeit in mir, dass Giles mir nahegelegt hatte, mich nochmal umzuziehen. Trotzdem wirkte der Portier nicht gerade glücklich, als wir uns dem Eingang zum Restaurant näherten. Aber nicht ich war die Person, gegen die er etwas zu haben schien, sondern Giles.
    «Tut mir leid, Mr   Lancaster, aber wie Ihnen bereits erklärt wurde   …»
    Giles unterbrach ihn eher amüsiert als verärgert. «Keine Sorge. Wir sind einfach nur zum Essen hier.»
    «Nun gut, Sir.»
    Man führte uns in ein Speisezimmer, das weitaus kleiner war, als ich es mir vorgestellt

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