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Noras Erziehung

Noras Erziehung

Titel: Noras Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Belle
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hatte, und in dem lediglich vier Tische standen. Auf der anderen Seite des Flurs konnte man allerdings einen größeren Raum erkennen. Ich wollte unbedingt wissen, was es mit dem kurzen Gespräch mit dem Portier auf sich hatte und fragte sofort nach, als wir endlich allein am Tisch saßen.
    «Was hatte das denn eben zu bedeuten?»
    «Ach, nichts. Er dachte, ich wollte eine Buchung für meinen Dinner-Club machen.»
    «Was ist das denn für eine Vereinigung? Habt ihr Hausverbot oder so was?»
    «Nur in Oxford. Aber wir haben einen ziemlich schlechten Ruf, und jeder im Umkreis von dreißig Kilometern scheint zu wissen, dass ich dazugehöre. Wir nennen uns die Hawkubites.»
    «Das ist doch die Vereinigung, die absichtlich Restaurants zertrümmert, hab ich recht?»
    «Unsinn. Wir sind zwar manchmal ein bisschen ausgelassen, aber wir haben keine bösen Absichten und zahlen immer für den angerichteten Schaden.»
    «Bleibt trotzdem Vandalismus.»
    «Wenn man korrekt gekleidet auftritt, ist es auch kein Vandalismus.»
    «Unfassbar!»
    «Das ist ein Zitat. Und zwar von Oscar Wilde. Er war 1878   Präsident.»
    In seiner Stimme schwang so viel Verachtung mit, dass ich tatsächlich rot wurde und meine Reaktion auf sein Benehmen etwas gemäßigter ausfiel.
    «Dann ist es also eine alte Vereinigung.»
    «Unser Gründungsjahr ist 1713.   Und das macht uns zur ältesten Vereinigung in Oxford – egal, was die Bullingdon- oder die Phoenix-Vereinigung vielleicht behaupten. Wir sind nach einer Londoner Straßenbande der damaligen Zeit benannt. Man erzählt sich, dass einige unserer Gründungsmitglieder tatsächlich zu der Bande gehörten. Aber ich bezweifle, dass das stimmt. Das war wirklich ein verdorbener Haufen. Eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen bestand darin,Leute in Fässer zu stecken und sie nur so zum Spaß den Ludgate Hill hinunterrollen zu lassen. Außerdem raubten sie gern Männer aus, um ihre Frauen dann zu zwingen, das Geld auf dem Rücken liegend zurückzuverdienen, wenn du verstehst, was ich meine. Der Mann musste nach Möglichkeit zusehen. Du siehst also, eigentlich sind wir gar nicht so schlimm.»
    Ich schüttelte den Kopf in der Hoffnung, dass er meine Reaktion als Geste erwachsener Geringschätzung seines Benehmens verstehen würde, aber meine Meinung war ihm offensichtlich völlig gleichgültig. Mittlerweile hatte ein Kellner uns die Speisekarten gebracht, die aus großen weißen Pergamentblättern bestanden, zusammengehalten von dunkelroten Bändern. Unser Gesprächsthema wandte sich jetzt dem Essen zu, über das Giles jede Menge zu wissen schien. Er gab mir sofort gute Ratschläge, was ich bestellen sollte, aber ich ließ es mir nicht nehmen, meine Entscheidung selbst zu treffen. Nicht, dass ihm das aufgefallen wäre – abgesehen von einem Kommentar über den Wein.
    «Der Steinbutt ist wirklich eine ausgezeichnete Wahl, aber ich will mir das Moorhuhn nicht entgehen lassen. Wir müssen also zwei unterschiedliche Flaschen Wein bestellen. Für mich allerdings nur eine halbe. Die Jungs in Uniform scheinen heutzutage auch für Gentlemen keine Ausnahmen zu machen.»
    «Über zu schnelles Fahren hast du dir vorhin doch auch keine Gedanken gemacht.»
    «Mit Bußgeldern und dem ein oder anderen Punkt kann ich leben. Aber Hausverbot zu haben ist eine andere Sache. Ich denke, ich nehme eine halbe Flasche Fronsac. Ich schlage vor, du versuchst es mal mit dem Chablis.»
    «Ich bevorzuge den australischen Riesling.» Das warzwar frei erfunden, aber er sagte nichts weiter dazu. Wie viel nützliches Wissen ich wohl von ihm aufschnappen konnte? Politisches Know-how, Wein und Essen, gesellschaftliche Umgangsformen – alles Dinge, die überaus hilfreich sein konnten. Stephen war da trotz seiner Kenntnisse über die Finanzwelt und seiner Jahre auf der Privatschule vergleichsweise ungehobelt.
    Das Essen war köstlich. Angefangen von den Austern, die in winzigen Silberbechern serviert wurden, um unseren Appetit anzuregen, bis hin zu einem Stück des üppigsten Schokoladenkuchens, den ich je gegessen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war ich ebenso angeheitert wie nach meinem Essen mit Stephen, sagte mir aber gleichzeitig, dass ich wohl mit Jogging anfangen oder es mit Damenrudern versuchen sollte, wenn ich weiter von Männern zu opulenten Abendessen eingeladen werden würde. Das Einzige, was mein Vergnügen schmälerte, während ich an dem Kaffee nippte und ein Stück Minzschokolade knabberte, war die Ahnung, dass Giles mir ganz sicher

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