Noras großer Traum (German Edition)
manövriert hatte, er war nun auch noch derjenige gewesen, den Nora hatte
aufmuntern müssen. Als er das erkannte, lenkte er ein.
»Du hast Recht, Nora. Morgen früh schaut es bestimmt schon wieder besser aus.« Er sah an sich hinunter. »O Mann, was gäbe ich jetzt für eine Dusche!«
Sie war ernst geworden. »Und ich wünschte, ich hätte den Gang ins Gebüsch schon hinter mir. Keine schöne Vorstellung bei den Schlangen, Skorpionen oder Spinnen, die es hier so gibt.«
Irgendwie war aber auch diese Nacht vorübergegangen. Nora wachte mit schmerzendem Nacken auf und betrachtete die Farben, die die aufgehende Sonne wieder in die Landschaft zauberte. Wenn sie nicht im Wagen aufgewacht wäre, hätte sie sich womöglich fragen müssen, ob sie den Sandsturm nur geträumt hatte. Sie sehnte sich danach, auszusteigen und sich die Beine zu vertreten, wollte jedoch Martin nicht aufwecken. Müde rieb sie sich die tränenden Augen. Martin bewegte sich nun ebenfalls und fuhr sich gähnend durch die Locken. Nora klopfte ihm aufmunternd aufs Knie.
»Na, komm erst mal zu dir! Wenn ich jetzt nicht aufstehen kann, breche ich in der Mitte durch.«
Sie hatte die Wagentür geöffnet und schwang die Beine nach draußen. Langsam schlenderte sie umher und ließ den Blick in alle Richtungen schweifen. Plötzlich stutzte sie und sah noch einmal genauer hin.
»Martin! Dahinten kommt ein Auto!«
Dieser war sofort hellwach und sprang aus dem Wagen. Suchend sah er in die Richtung, in die sie zeigte.
»Tatsächlich! Ein Lkw. Hoffentlich kann er uns mitnehmen oder helfen.«
Winkend standen sie am Fahrbahnrand, als der Laster zum Stehen kam. Der Fahrer erwies sich als freundlich und hilfsbereit. Außerdem hatte er einen Werkzeugkasten dabei, mit dessen Inhalt er gut umzugehen wusste. Innerhalb kürzester Zeit war der Fehler gefunden, und der Wagen sprang wieder an. Mit einem Abschleppseil und seinem starken Gefährt zog er sie anschließend aus der Sandverwehung, und sie standen erneut auf der Straße. Sie bedankten sich herzlich und winkten ihm nach. Nora machte ein zufriedenes Gesicht.
»Hab ich dir eigentlich schon mal gesagt, dass ich die Australier liebe?«
Alice Springs, das erkannte Nora sofort, war eigentlich mehr ein Ausgangspunkt zu den Naturschönheiten im Roten Herzen Australiens als selbst ein Traumziel. Trotzdem hatte die 25 000-Einwohner-Stadt eine eigenartige Anziehungskraft auf Nora. Die Gebirgszüge der MacDonnell Ranges mit ihren nahezu senkrecht stehenden Felskämmen schienen die Stadt vor dem endlosen Outback beschützen zu wollen. Auch hier weckte wieder besonders die geschichtliche Entwicklung des Ortes ihr Interesse. Sie wusste, dass sich Alice Springs erst mit der Eisenbahnlinie, dem berühmten Ghan, so vergrößert und den Status eines »Wüstennestes« verloren hatte. Zuvor war dieser Ort in seiner Versorgung von Kamelkarawanen abhängig gewesen, die von Afghanen durch die Wüste geleitet wurden. Nach diesen tüchtigen Wüstenführern erhielt die Eisenbahn dann auch den Namen Ghan. Noras Munterkeit schien sich dieses Mal aber nicht auf Martin zu übertragen, der wenig begeistert mit ihr aufgebrochen war, um die Sehenswürdigkeiten dieses größten Ortes im Umkreis von eintausendfünfhundert Kilometern zu fotografieren. Nora wollte zuerst den relativ neuen Alice Springs Desert Park besuchen, über den sie schon in Deutschland gelesen hatte. Die Parks and Wildlife Commission of the Northern Territory stellte hier auf gelungene Weise anhand von künstlich geschaffenen Biotopen das Leben von Tieren und Pflanzen in der Wüste dar. Alles wurde anschaulich erklärt. Nora war besonders begeistert, in einem Nachthaus alle möglichen Arten der nachtaktiven Wüstentiere sehen zu können.
Auch Martins Unternehmungsgeist schien erwacht zu sein, denn als sie den Desert Park schließlich verließen, fragte er schon munterer: »Und wohin als Nächstes?«
Nora überlegte kurz. »Wir sollten natürlich auch einen Blick auf die alte Telegrafenstation und die Quelle werfen.« Während sie sich im Wagen anschnallte, fügte sie hinzu: »Und wenn deine Geduld noch ausreicht, könnten wir uns noch die School of the Air ansehen, du weißt schon, die älteste der Sprechfunkschulen für Grundschüler im Outback.«
Martin nickte zustimmend.
»Kannst du dir vorstellen, dass diese Funkschulen etwa zweitausend Kinder betreuen? Allein die Station in Alice Springs spricht mit Schulkindern, die über 1,3 Millionen Quadratkilometer
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