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Nord gegen Süd

Nord gegen Süd

Titel: Nord gegen Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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zu bestechen und um einen noch so hohen Preis die Flucht der Verurtheilten zu ermöglichen? Sie waren ja nicht einmal im Stande, das Haus zu verlassen, in dem sie schützend Zuflucht gefunden hatten, denn der Leser weiß, daß eine ganze Bande dasselbe in Gesichtsweite überwachte, und unaufhörlich ertönten deren Drohungen und Verwünschungen vor dessen Thür.
    So kam die Nacht. Die Witterung, deren bevorstehender Umschlag sich seit einigen Tagen fühlbar machte, hatte sich merklich geändert.
    Nachdem der Wind längere Zeit vom Lande her geweht, war er plötzlich nach Nordosten umgesprungen. Schon jagten sich gewaltige Massen grauer zerrissener Wolken, die nicht einmal Zeit fanden, sich in Regen aufzulösen, mit großer Schnelligkeit von der Seeseite her und streiften fast die Oberfläche des Meeres. Eine Fregatte erster Classe hätte sicherlich die Spitzen ihres Mastwerkes schon in dieser Anhäufung von Dünsten verschwinden sehen, so niedrig zogen dieselben am Himmel hin. Der Barometer war schnell bis auf die Marke »Sturm« gefallen und deutlich erschienen alle Vorzeichen eines in unermeßlicher Ferne im Atlantischen Ocean entstandenen Orkans. Mit Anbruch der Nacht, welche Alles in tiefes Dunkel hüllte, entfesselte sich derselbe auch in voller Wuth.
    In Folge seiner Richtung peitschte dieser Orkan mit aller Kraft gerade das Wasser vor den Mündungen des Saint-John. Er thürmte die Wellen davor auf, wie man sie bei der sogenannten Hohlen See wahrnimmt, und trieb sie vor sich her wie jene »Mascarets« der großen Ströme, deren Wogen alles, was den Ufern nahe liegt, vernichten.
    Während dieser Sturmnacht wurde auch Jacksonville mit außerordentlicher Gewalt betroffen. Ein Stück der Uferverpfählung versank, da deren Grundpfeiler unter dem Stoße der anschlagenden Wellen nachgaben. Das Wasser überfluthete auch einen Theil des Quais, wo verschiedene Dogres zerstört wurden, deren Sorrtaue wie Zwirnsfäden zerrissen. Auf den Straßen und Plätzen, über welche es Bruchstücke aller Art hagelte, konnte kein Mensch sich erhalten. Der Pöbel mußte sich in die Schänken flüchten; hier litten die Kehlen natürlich keine Noth und das Gebrüll der Leute wetteiferte nicht ganz ohne Erfolg mit dem Heulen des Sturmes.
    Aber nicht nur auf dem festen Erdboden richtete der Windstoß arge Verwüstungen an. Längs des Bettes des Saint-John entstand ein desto größerer Wellengang, da das Wasser desselben sich gegen den Grund des Flusses stieß. Die vor der Barre verankerten Schaluppen wurden von dieser Sturmfluth überrascht, ehe es ihnen möglich war, den Hafen zu erreichen. Ihre Anker brachen und ihre Ketten rissen entzwei. Die nächtliche, von dem Drängen des Windes gesteigerte Fluth warf sie unwiderstehlich flußaufwärts zurück. Einige gingen an den Pfählen der Quais in Trümmern, während andere, die über Jacksonville hinaus verschlagen wurden, sich einige Meilen weiter oben an den kleinen Inseln und den in den Fluß vorspringenden Landzungen verloren. Eine gewisse Anzahl der Mannschaft auf denselben verlor bei diesem Unfall das Leben, da dessen urplötzlicher Eintritt die Ergreifung irgendwelcher, unter solchen Umständen gebotener Maßregeln verhindert hatte.
    Hatten nun die Kanonenboote des Commandanten Stevens die Anker gelichtet und mit der Kraft des Dampfes vielleicht Zuflucht in den Buchten des Unterlaufes im Strom gesucht? Waren sie, Dank einem derartigen Manöver, der Vernichtung entgangen? Doch ob sie nun das erste gethan und sich weiter nach den Mündungen des Saint-John zurückgezogen hatten, oder ob sie vor Anker liegen geblieben waren, jedenfalls hatte Jacksonville sie jetzt nicht zu fürchten, da die Barre ihnen ein unwiderstehliches Hinderniß entgegensetzte.
    Es wurde eine rabenschwarze Nacht, die das Thal des Saint-John einhüllte, während Luft und Wasser sich vermischten, als ob irgend ein chemischer Proceß sie zu einem einzigen Element zu vereinen strebte. Mit einem Worte, jetzt vollzog sich eines jener in den Tropenzonen zur Zeit der Tag-und Nachtgleiche nicht seltenen entsetzlichen Naturereignisse, aber mit einer Heftigkeit und über das ganze Gebiet von Florida verbreitet, wie man das kaum vorher erlebt hatte.
    Ganz entsprechend seiner außerordentlichen Kraft dauerte dieses Meteor auch nur wenige Stunden an. Mit Aufgang der Sonne fegten zwar noch durch den Luftraum die schärfsten Windstöße, dann aber verlor sich der Orkan über dem Golf von Mexiko, nachdem er mit seiner letzten Wuth

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