Nord gegen Süd
wenn die Kanonenboote allen unnützen Ballast löschten und sich erleichterten, um ihre Schwimmlinie höher zu verlegen, die kurze Strecke zurücklegen konnten, hinter der sie dann wieder tieferes Wasser und eine freie Fahrstraße bis zur Höhe des Hafens der Stadt finden mußten.
Wie Einzelne bemerkten, fing die Fluth jedoch schon an zurückzuweichen, und wenn einmal Ebbe eintrat, senkte sich der Wasserstand des Saint-John sehr schnell.
Plötzlich streckten sich alle Arme stromaufwärts des Flusses aus und alle anderen Rufe übertönte der eine:
»Ein Boot!… Ein Boot!«
In der That zeigte sich jetzt ein leichtes Fahrzeug dicht am linken Ufer, wo der Fluthstrom noch ein wenig bemerkbar war, während der zurückweichende Ebbestrom in der Mitte der Wasserstraße schon an Kraft gewann. Das von mehreren Rudern getriebene Fahrzeug schoß rasch vorwärts. Im Hintergrunde desselben stand ein Officier in der floridischen Uniform. Er hatte bald den Fuß der Landungsbrücke erreicht und erklomm hurtig die Stufen der steilen, neben der Pfahlwand angebrachten Treppe. Als er den oben stehenden Texar gewahrte, begab er sich mitten durch die Gruppen, die sich herandrängten, um ihn zu sehen und zu hören, zu diesem.
»Was ist geschehen? fragte der Spanier.
– Eigentlich nichts, und es wird auch nichts geschehen, antwortete der Officier.
– Wer sendet Sie?
– Der Führer unserer Boote, welche sich in kürzester Zeit nach dem Hafen zurückziehen werden.
– Warum?
– Weil die Kanonenboote bis jetzt ganz vergeblich versucht haben, die Barre, sowohl dadurch, daß sie sich leichter machten, als daß sie mit vollem Dampf dagegen anfuhren, zu überwinden; weil überhaupt nichts mehr zu fürchten ist…
– Bei der jetzt herrschenden Fluth?… fragte Texar.
– So wenig, wie bei einer anderen… wenigstens nicht innerhalb mehrerer Monate.
– Hurrah! Hurrah!«
Laut donnerte der Jubelruf durch die Stadt. Und wenn die hitzigsten Köpfe noch einmal dem Spanier als demjenigen Mann Beifall riefen, in dem sich alle ihre verabscheuungswürdigen Gelüste gleichsam verkörperten, so fühlten sich die gemäßigteren Leute niedergeschmettert bei dem Gedanken, daß sie nun noch eine lange Reihe von Tagen der verbrecherischen Herrschaft des Bürgerausschusses und seines Leiters unterworfen sein sollten.
Der Officier hatte wahr gesprochen. Vom heutigen Tage ab sollte das Meer immer weiter zurücksinken und die Fluth stets nur eine geringere Wassermenge in den Saint-John drängen. Diese Fluth des 12. März war eine der höchsten des ganzen Jahres gewesen, und es mußte ein Zeitraum von mehreren Monaten verfließen, ehe der Fluß sich wieder auf das gleiche Niveau erhob. Da die Wasserstraße damit unbenützbar wurde, entging Jacksonville aller Voraussicht nach dem Feuer des Commandanten Stevens. Das bedeutete die Verlängerung der Machtvollkommenheiten Texar’s und für diesen Elenden die Gewißheit, sein Rachewerk bis zum letzten Ende auszuführen…
Selbst angenommen, daß der General Sherman durch die Truppen des bei Fernandina gelandeten General Voight Jacksonville besetzen lassen wollte, so nahm dieser Marsch nach dem Süden doch immer einige Zeit in Anspruch.
Was aber James und Gilbert Burbank anging, deren Hinrichtung ja auf die ersten Stunden des folgenden Tages angesetzt war, so konnte diese jetzt nichts mehr retten.
Die von dem Officier überbrachte Nachricht verbreitete sich unverzüglich in die Umgebung nach allen Seiten, und man kann sich leicht vorstellen, welche Wirkung sie auf den rohen hocherregten Pöbel ausübte.
Der Officier erklomm hurtig die steile Treppe. (S. 254.)
Die Orgien und Ausschweifungen aller Art wiederholten sich nur mit verdoppelter Kraft. Die eingeschüchterte bessere Bevölkerung mußte sich der scheußlichsten Excesse versehen.
Die Kanonenboote Stevens’ waren da. (S. 260.)
Die Meisten trafen denn auch Anstalt, eine Stadt zu verlassen, die ihnen keinerlei Sicherheit des Lebens und Eigenthums mehr bot.
Als die Hurrahrufe und das Freudengeschrei bis zu den unglücklichen Gefangenen drangen, erkannten diese, daß für sie jede Aussicht auf Rettung verschwunden sei. Auch bis zum Hause des Mr. Harvey tönte das Gebrüll der Menge, und man begreift leicht die Verzweiflung, welche sich des Mr. Stannard und der Miß Alice bemächtigte, die nun nicht mehr wußten, was sie unternehmen sollten, um James Burbank und dessen Sohn zu befreien. Konnten sie versuchen, deren Kerkermeister
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