Nordermoor
Hardcore-Pornos. Es wurde beschlossen, das Auto auf dem Gelände der Kriminalpolizei einer weiteren Durchsuchung zu unterziehen.
Währenddessen arbeitete die Spurensicherung mit dem Foto. Es stellte sich heraus, dass es auf einem Ilford-Papier abgezogen war, das in den sechziger Jahren viel verwendet, aber heute nicht mehr hergestellt wurde. Höchstwahrscheinlich war das Foto vom Fotografen selbst oder einem Amateur entwickelt worden; es war schon ziemlich verblasst, als hätte man wenig Mühe darauf verwendet. Es gab keine Aufschrift auf der Rückseite, und es war schwierig festzustellen, auf welchem Friedhof es aufgenommen worden war. Er konnte überall in Island sein.
Der Fotograf hatte etwa drei Meter von dem Grab entfernt dem Grabstein genau gegenüber gestanden; wahrscheinlich hatte er etwas in die Knie gehen müssen, falls er nicht besonders kleinwüchsig gewesen war. Trotz dieser Entfernung war der Blickwinkel stark eingeschränkt. Bepflanzung war nicht zu erkennen, es lag eine dünne Schneedecke. Es waren auch keine anderen Gräber zu sehen. Hinter dem Grabstein sah man nur einen weißlichen Dunst. Man konzentrierte sich auf die Grabschrift, die wegen der Entfernung zum Fotografen ziemlich undeutlich war. Um sie zu vergrößern, wurde das Foto immer wieder neu ausgedruckt, bis endlich jeder Buchstabe für sich auf A5-Blätter projiziert war, die dann nummeriert und in der Reihenfolge wie auf dem Stein zusammengesetzt wurden. Die Bilder waren sehr grobkörnig, kaum mehr als abwechselnd schwarze und weiße Punkte, Nuancierungen von Licht und Schatten, aber nach dem Einscannen konnte man mit den Schatten und der Grobkörnigkeit arbeiten. Einige Buchstaben waren deutlicher als andere und halfen den Technikern, die Lücken zu füllen. Einfach waren die Buchstaben S, F und L, andere waren schwieriger.
Um die Abendessenszeit rief Erlendur zu Hause beim Abteilungsleiter des Statistischen Amts an. Der fluchte und schimpfte zwar, aber Erlendur konnte ihn trotzdem dazu bewegen, sich noch am selben Abend mit ihm vor dem Verwaltungsgebäude in der Nähe des Stadtzentrums zu treffen. Erlendur wusste, dass dort sämtliche Totenscheine aufbewahrt wurden, die seit 1916 ausgestellt worden waren. Keine Menschenseele war in dem Haus unterwegs, denn die Mitarbeiter waren schon vor geraumer Zeit nach Hause gegangen. Eine halbe Stunde später fuhr der Abteilungsleiter vor und gab Erlendur flüchtig die Hand. Er tippte den Code für die Einbruchssicherung ein und verschaffte ihnen mit seiner Security-Card Zutritt. Erlendur erklärte ihm, worum es ging, sagte aber nur das Notwendigste.
Sie gingen sämtliche Totenscheine von 1968 durch. Zwei Mal fanden sie den Namen Auður. Die eine war fast vier Jahre alt gewesen, sie war im Februar gestorben. Sie fanden den Arzt, der den Totenschein ausgestellt hatte, im Volk sregister. Er wohnte in Reykjavík. Auch der Name der Mutter des Mädchens war eingetragen, die sie ebenfalls ohne Probleme fanden. Sie war zuletzt zu Beginn der siebziger Jahre in Keflavík gemeldet gewesen. Ihr Name war Kolbrún. Ein kurzer Blick ins Register ergab, dass sie 1971 gestorben war, drei Jahre nach dem Tod der Tochter. Auch ihr Totenschein wurde gefunden.
Das Mädchen war an einem bösartigen Gehirntumor gestorben.
Die Mutter hatte Selbstmord begangen.
Kapitel 7
D er Bräutigam empfing Erlendur in seinem Büro. Er war für »Quality Management« und Marketing in einem Großhandelsbetrieb zuständig, der amerikanische Cornflakes und Ähnliches importierte. Als Erlendur, der nie in seinem Leben Cornflakes gegessen hatte, in dem Büro Platz nahm, dachte er darüber nach, was so ein Job bei einer solchen Firma wohl beinhaltete. Aber er hatte keine Lust zu fragen. Der Bräutigam trug ein weißes, gebügeltes Hemd und breite Hosenträger. Er hatte die Ärmel aufgekrempelt, als ob das »Quality Management« seiner gesamten Tatkraft bedurfte. Er war mittelgroß und etwas untersetzt. Sein Bart war um die fleischigen Li ppen kreisrund ausrasiert. Viggó hieß er.
»Ich habe nichts von Dísa gehört«, sagte Viggó hastig und setzte sich Erlendur gegenüber.
»War es etwas, das du zu ihr gesagt hast, was …«
»Das glauben alle«, sagte der Bräutigam. »Alle glauben, dass es meine Schuld ist. Das ist das Schlimmste. Das ist das Schlimmste an der ganzen Sache. Es ist nicht zum Aushalten.«
»Hast du irgendetwas Ungewöhnliches an ihr bemerkt, bevor sie weglief? Etwas, weswegen sie ausgerastet sein
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