Nordermoor
Erlendur. »Der Klempner hat ihm den Fußboden aufgebrochen.«
»Glaubst du, dass er die Leiche über dem Scheißrohr verstaut hat?«
»Warten wir’s ab. Vielleicht hat er etwas rumwerkeln müssen. Vielleicht ist das alles nur ein Missverständnis.«
Erlendur ging in die Abenddämmerung hinaus. Sigurður Óli und Elinborg waren in sein Auto gestiegen und aßen Hot Dogs, die Sigurður Óli vom nächsten Kiosk geholt hatte. Ein Würstchen wartete auf Erlendur auf dem Armaturenbrett. Er verschlang es gierig.
»Wenn wir Grétar’s Leiche da finden, was sagt uns das dann?«, fragte Elinborg und wischte sich den Mund ab.
»Ich wollte, ich wüsste es«, sagte Erlendur nachdenklich. »Ich wollte, ich wüsste es.«
Ihr nächster Vorgesetzter, der Sektionsleiter, kam in diesem Augenblick angerauscht, trommelte an die Scheibe, riss die Tür auf und befahl Erlendur, einen Augenblick mit ihm zu kommen. Sigurður Óli und Elinborg stiege n ebenfalls aus. Der Mann hieß Hrólfur und war ein paar Tage krank gewesen, schien aber jetzt wieder kerngesund zu sein. Er war ziemlich feist, und es gelang ihm kaum, das durch seine Kleidung zu verbergen. Von Natur aus faul, trug er nur selten etwas zu den Ermittlungen bei. Krankfeiern war bei ihm an der Tagesordnung.
»Warum hast du dich wegen dieser Aktion nicht mit mir in Verbindung gesetzt?«, fragte er und konnte seine Wut nicht verhehlen.
»Du bist krankgeschrieben«, sagte Erlendur.
»Verdammter Quatsch«, sagte Hrólfur. »Glaub bloß nicht, dass du die Sektion so herumdirigieren kannst, wie es dir in den Kram passt. Ich bin dein Vorgesetzter. Du sprichst gefälligst mit mir über solche Aktionen, bevor du, borniert wie du bist, derartig vorpreschst!«
»Moment mal, ich ging davon aus, dass du krankgeschrieben seist«, wiederholte Erlendur und tat so, als sei er erstaunt.
»Und wie kannst du dir einfallen lassen, den Polizeipräfekten zum Narren zu halten?«, fauchte Hrólfur. »Wie kommst du auf die hirnrissige Idee, hier unten läge eine Leiche? Du hast nicht das Geringste in der Hand. Nicht das Allergeringste, außer irgendwelchen Quatsch über Hausfundamente und Gestank. Du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank?«
Sigurður Óli näherte sich ihnen zögernd.
»Hier ist eine Frau, Erlendur, mit der du wohl sprechen solltest«, sagte er und hielt Erlendurs Telefon hoch, das er im Auto zurückgelassen hatte. »Es ist persönlich. Sie ist ziemlich aufgelöst.«
Hrólfur drehte sich zu Sigurður Óli um und sagte ihm, er solle sie in Ruhe lassen und sich verpissen.
Sigurður Óli ließ nicht locker.
»Sprich lieber sofort mit ihr, Erlendur«, sagte er.
»Was soll das eigentlich heißen! Ihr tut so, als sei ich Luft für euch!«, brüllte Hrólfur und stampfte auf den Boden. »Ist das hier vielleicht eine Verschwörung? Erlendur, wenn wir es übernehmen, wegen Gestanks die Fundamente in den Wohnungen der Leuten aufzubrechen, dann haben wir bald nichts anderes zu tun. Das ist kompletter Wahnsinn! Das ist total bescheuert!«
»Marian Briem hat diese interessante Idee gehabt«, sagte Erlendur, der völlig gelassen geblieben war, »und ich fand, dass es einen Versuch wert war. Das fand der Polizeipräfekt übrigens auch. Bitte entschuldige, dass ich mich nicht mit dir kurzgeschlossen habe, und ich freue mich, dass du wieder auf den Beinen bist. Das will ich dir sagen, Hrólfur, du scheinst ja wirklich putzmunter zu sein. Und jetzt entschuldige mich bitte.«
Erlendur ging an Hrólfur vorbei, der ihn und Sigurður Óli anstarrte und mit offenem Mund stehen blieb, so als wolle er etwas sagen, aber nicht wüsste, was.
»Eins ist mir noch eingefallen«, sagte Erlendur. »Hätte mir schon längst einfallen sollen.«
»Was?«, fragte Sigurður Óli.
»Ruf bei der Leuchtturm- und Hafenbehörde an und finde heraus, ob sie feststellen können, ob Holberg so um 1960 herum in Húsavík oder in der Nähe gewesen ist.«
»In Ordnung. Hier, sprich mit der Frau.«
»Wer ist es denn?«, fragte Erlendur und nahm das Telefon. »Ich kenne keine Frau.«
»Man hat ihr deine Handynummer gegeben. Sie hat schon mehrmals im Büro angerufen. Ihr wurde gesagt, dass du nicht abkömmlich seist, aber sie ließ nicht locker.«
In diesem Moment setzte der Pressluftbohrer ein. Aus dem Keller drang unerträglicher Lärm, und sie sahen, wie dicker Staub aus den Fenstern quoll. Die Polizei hatte überall die Vorhänge zugezogen, sodass man nicht hineinsehen konnte. Alle bis auf den Mann mit dem
Weitere Kostenlose Bücher