Nordfeuer - Kriminalroman
gedacht.«
Schließlich sei der Schimmelreiter
eines der bedeutendsten Werke Storms, begründete sie, und der Umstand, dass ein
Koog nach einer Erzählfigur benannt sei, einmalig.
»Ich habe gedacht, da könne man
eine Brücke schlagen zwischen Fiktion und Wirklichkeit.« Tom nickte. Er fand Marlenes
Idee gut, vermutete allerdings, sie hatte den Mitgliedern ihr Konzept nicht besonders
gut verkauft.
»Was haben sie denn genau gesagt?«,
fragte er daher nach der Reaktion des Komitees.
»Ach, ich soll erstmal die Hochzeit
hinter mich bringen und dann die Planungen noch einmal überarbeiten.«
»Na, siehst du. Sie haben dein Projekt
also nicht abgelehnt.«
»Aber darauf wird es hinauslaufen.«
»Nicht, wenn du das Konzept zusammen
mit einem gefeierten Starberater aufstellst.« Er zog sie wieder näher an sich heran.
»Falls du dir einen leisten kannst«, flüsterte er in ihr Ohr und begann sanft ihren
Hals mit seinen Lippen zu liebkosen.
»Du kannst auch in Naturalien zahlen.«
»Gehört das nicht zukünftig zu deinen
ehelichen Pflichten?«, scherzte sie. »Apropos eheliche Pflichten. Meine Mutter erwartet
uns gegen sieben Uhr zum Abendessen. Wir sollten uns beeilen.«
Gesine Liebig – Toms angehende Schwiegermutter
– hatte die Organisation der Hochzeitsfeier übernommen. Anfänglich war es Marlene
überhaupt nicht recht gewesen. Denn während ihrer Mutter eine standesgemäße Hochzeit
mit viel Prunk und Pomp in Hamburg vorschwebte, hatte Marlene sich lieber eine Trauung
in der kleinen Dorfkirche Risum-Lindholms gewünscht. Es hatte lange gedauert, bis
Mutter und Tochter auf einen Nenner gekommen waren, doch momentan war Marlene froh,
dass sie sich nicht selbst um alle Details der Feier kümmern musste. Morgen nun
wollte ihre Mutter noch die letzten Einzelheiten mit ihnen zusammen abstimmen, und
außerdem stand die Anprobe von Marlenes Brautkleid auf dem Plan. Daher fuhren sie
heute, knapp zwei Wochen vor der Hochzeit, noch einmal nach Hamburg.
»Hast du Haie noch einmal Bescheid
gegeben?«, fragte Tom und gab Marlene aus seiner Umarmung frei. Die Erinnerung an
das gemeinsame Abendessen hatte seine Lust auf Zärtlichkeiten vertrieben. Nicht,
dass er seine zukünftige Familie nicht mochte. Es war nur immer etwas sehr förmlich
im Hause der Liebigs – geradezu steif, wie der Hamburger wohl zu sagen pflegte.
Und das schwierige Verhältnis zwischen Tochter und Mutter, die nach dem Tod von
Marlenes Vater erneut geheiratet hatte, war nicht gerade die beste Voraussetzung
für einen entspannten Abend.
»Haie war nicht zuhause. Habe eine
Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen. Möchte nur mal wissen, wo der
sich wohl rumtreibt.«
Dirk Thamsen hatte gleich, nachdem er den Bericht gelesen hatte, eine
Besprechung der SOKO einberufen.
»Also, ich gehe davon aus, dass
wir es in dem Fall der Schule mit einem Trittbrettfahrer zu tun haben«, leitete
er die neuesten Ergebnisse ein. »Hier wollte sich einer der Leiche entledigen und
nutzt die Brandserie, um von sich abzulenken.«
»Hältst du deine Schlussfolgerung
nicht für verfrüht?«, warf sogleich ein Kollege von der Kripo ein. »Was, wenn die
Frau den Brandstifter überrascht hat und er sie umgebracht hat? Was sagt denn der
Bericht zur Todesursache?«
Das ist ja wieder klar, dachte Thamsen.
Den Herren aus Husum passt es nicht, dass ich als Erster den Bericht bekommen habe.
Früher hatte er meist mit der Bezirkskriminalinspektion
in Flensburg zusammengearbeitet, aber seitdem man die Bereiche neu aufgeteilt hatte,
war Husum für die Außenstelle in Niebüll zuständig. Das Verhalten der Beamten ähnelte
jedoch sehr dem der Flensburger Kollegen.
»Äußere Gewalteinwirkung mit einem
stumpfen Gegenstand«, las Thamsen den Abschnitt im Bericht vor.
»Siehst du«,
begründete der andere Kommissar seine Bedenken. »Die Frau kann den Brandstifter
auch genauso gut überrascht haben und dann – Peng«, bei diesem Wort hob er seine
Stimme und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, »hat er ihr eins rübergezogen.
Haben wir irgendetwas am Tatort gefunden?«
Thamsen schüttelte den Kopf. »Wenn
die Schule denn überhaupt der Tatort war. Was ist zum Beispiel mit dem anderen Brandbeschleuniger?«,
hielt er an seiner These fest.
»Na, vielleicht hatte er keinen
Spiritus mehr und hat dann einfach den Ersatzkanister aus seinem Auto genommen.«
»Quatsch«, entfuhr es Thamsen und
erntete sofort einen tadelnden Blick seines Vorgesetzten. Rudolf Lange
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