Nordfeuer - Kriminalroman
gerufen wurde. Zuhause hätte er sowieso keine Ruhe
gefunden und sich nur zig tausend Gedanken über seinen Vater und sein Verhältnis
zu ihm gemacht. Seltsam, aber er spürte weder Angst noch so etwas wie Traurigkeit
über den Zustand seines Vaters. Da war einzig und allein eine Leere in ihm, die
er nicht beschreiben konnte. Und nach wie vor die quälenden Fragen, warum sein Vater
ihn ablehnte.
Er stieß zunächst auf den jungen
Feuerwehrmann, der ihn als Erster auf den abweichenden Brandbeschleuniger aufmerksam
gemacht hatte, als er hinter die Absperrung trat. Er kniete am Boden und hustete.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, erkundigte
Thamsen sich und beugte sich zu ihm herunter. Der Mann nickte und deutete auf sein
Atemschutzgerät.
»Ich komm damit nicht gut klar«,
erklärte er knapp und hustete erneut.
»Wie sieht es denn aus da drinnen?«
Der Feuerwehrmann winkte ab. »Ziemlich
übel. Aber ich glaube nicht, dass da noch jemand drin war. Wir sind trotzdem mal
rein. Wegen der Leiche vom letzten Mal.« Ein weiterer Hustenanfall unterbrach seine
Erklärung.
»Und wie sieht es mit dem Brandbeschleuniger
aus?«
»Da wirst du wohl die kriminaltechnischen
Untersuchungen abwarten müssen«. Thamsen blickte plötzlich auf ein paar schwarze
Sicherheitsstiefel, die neben ihn traten und dem Gruppenleiter Jörgensen gehörten.
»Hab’ meine Männer gerade rausgeholt.
Da ist eh nichts mehr zu retten.«
Thamsen rappelte sich auf. »Ja,
aber riecht es wieder nach Benzin? Könnt ihr schon etwas zur Vorgehensweise sagen?
Ist das wieder dieselbe Handschrift?«
»Ich weiß, ihr steht enorm unter
Druck. Aber ich will da nichts Falsches sagen.« Jörgensen ließ sich zu keiner Auskunft
bewegen.
›Enorm unter Druck‹ traf nicht einmal
annähernd die Anspannung, die zurzeit in der Dienststelle herrschte. Gleich morgen
früh wollte sein Chef Ergebnisse sehen, hatte er vorhin am Telefon gesagt. Und seine
Stimme hatte nicht so geklungen, als ob er sich bis zum Abschluss der kriminaltechnischen
Untersuchungen gedulden würde.
»Ja, aber ihr Jungs habt doch Erfahrung«,
versuchte er es daher noch einmal. »Und schließlich wollt ihr ja wohl auch, dass
der Kerl so schnell wie möglich gefasst wird, oder?«
»Wer sagt denn überhaupt, dass es
ein Mann ist«, warf der junge Feuerwehrmann ein, als er sich endlich erhob. »Eine
Frau kann doch genauso gut ein Feuer legen, oder?«
Für diese Spekulationen erntete
er sogleich einen bösen Blick von seinem Gruppenleiter.
»Lars, wenn es dir wieder besser
geht, dann hilf mal den Kollegen.«
Thamsen verfolgte, wie der junge
Feuerwehrmann hinüber zum brennenden Gebäude ging und wusste, mit ihm schwand auch
seine Chance auf erste unbestätigte Informationen. Trotzdem wollte er nichts unversucht
lassen.
»Meinst du auch, es könne sich bei
dem Feuerteufel um eine Frau handeln?«
Der Gruppenleiter sah ihn finster
an.
»Ich weiß nur eins: Hier hat irgendjemand
gehörig Spaß daran, anderer Leute Häuser anzuzünden. Und wenn ihr diesen Feuerteufel
nicht bald schnappt, bleibt von Risum-Lindholm und Umgebung nicht mehr viel übrig.«
7.
»Guten Morgen meine Hübsche. Du bist ja schon fleißig.«
Tom trat hinter Marlene, die an
ihrem Schreibtisch saß, beugte sich hinunter und küsste ihren Hals. Wie gut sie
wieder riecht, dachte er und ließ seine Hände in ihren Ausschnitt wandern.
Einen kurzen Moment war sie versucht,
seinen Zärtlichkeiten nachzugeben, doch dann fiel ihr Blick auf ihre Präsentation,
und die Stimmung war verflogen.
»Komm, lass uns frühstücken«, wehrte
sie ihn ab und stand auf. Er seufzte leise. Ihre Anspannung hatte sich seit ihrer
Rückkehr aus Hamburg nicht gelöst. Ob doch der näher rückende Hochzeitstermin daran
schuld war?
In den letzten zwei Tagen war ihnen
mehr als bewusst geworden, wie bald sie verheiratet sein würden. Und vor allem,
was das bedeutete.
Der Pastor hatte ein Traugespräch
mit ihnen geführt und sie noch einmal explizit auf die gegenseitige Verantwortung
aufmerksam gemacht. Natürlich fühlte er sich Marlene gegenüber verantwortlich. Er
liebte sie schließlich. Aber die eindringlichen Worte des Pastors hatten ihm das
noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt. Und, dass natürlich alles vor und mit
Gott besiegelt werden würde. Tom war nicht besonders gläubig, aber dennoch hatte
er das Gefühl, die kirchliche Trauung gab einer Ehe eine zusätzliche Ernsthaftigkeit.
»Haie hat heute Nacht gar nicht
angerufen«,
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