Nordfeuer - Kriminalroman
tut denn so was?«, schluchzte
nun auch die Frau und schlug sich erneut die Hände vors Gesicht.
Da war sie wieder. Diese verdammte
Frage. Die Frage, die Thamsen so sehr hasste. Immer, wenn er eine Nachricht wie
diese überbrachte, tauchte sie auf. Stand wie eine unüberwindbare Mauer vor ihm.
Ließ ihn nicht entkommen. Dabei hatte er doch keine Antwort. Meistens jedenfalls
nicht. Und heute auch nicht.
»Wir werden alles tun, was in unserer
Macht steht, um den Mörder Ihrer Tochter zu finden«, hörte er sich sagen und musste
innerlich den Kopf über sich selbst schütteln. Wie abgedroschen das klang. Und was
stand denn in ihrer Macht? In seiner Macht?
»Wissen Sie denn, wohin Ihre Tochter
gegangen ist, als sie am Samstag das Haus verließ? Wollte sie jemanden treffen?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Ingrid
Martensen. »Vielleicht.«
»Hat sie Ihnen denn nichts gesagt?«
»Katrin ist volljährig«, mischte
sich Fritz Martensen ein. »Sie kann tun und lassen, was sie will.«
Thamsen hob unbewusst seine linke
Augenbraue. Er bezweifelte gar nicht, dass die junge Frau erwachsen war, aber immerhin
wohnte sie noch bei den Eltern. Da unterhielt man sich doch bestimmt miteinander,
erzählte, was man vorhatte, wo man hinfuhr. So jedenfalls würde er es in einer intakten
Familie erwarten. Aber vielleicht war hier eben doch nicht alles in Ordnung.
»Wann hat sie denn das Haus verlassen?«
»Am Abend«, konnte Frau Martensen
nun doch Auskunft geben.
»Und wo sie hinwollte, hat sie Ihnen
nicht gesagt?«
Die schmale Frau schüttelte nur
ihren Kopf. »Sie hat nur ›Bis später‹ gerufen. Dann war sie auch schon weg.«
»Und wann kam sie für gewöhnlich
nach Hause?«
Schulterzucken.
Thamsen wunderte sich erneut.
»Aber wieso haben Sie dann Katrin
erst am Montag als vermisst gemeldet?«
Diese Nacht wurde Haie erst vom Heulen der Sirenen wach. Seltsam, aber
heute hatte ihn keine Vorahnung gewarnt. Völlig unerwartet ließ ihn der gruselige
Ton aus dem Schlaf hochfahren. So schnell hintereinander hatte der Brandstifter
noch nie zugeschlagen. Die Abstände wurden kürzer. Der Täter schien nervös zu werden.
Eilig sprang er aus dem Bett und
tastete sich wie gewohnt zum Fenster. Nichts. Gott sei Dank.
Hinüber ins Wohnzimmer. Auch nichts.
Gut.
Sein Verhalten beim Erklingen des
Warnhorns hatte eine traurige Routine erlangt. Man war sich seines Lebens nicht
mehr sicher in Risum-Lindholm.
Er griff zum Telefonhörer und wollte
gerade Toms Nummer wählen, da klopfte es an der Haustür.
»Haie komm gau. Blocksberg brennt.«
Vor der Haustür stand sein Nachbar, mit dem er erst vor wenigen Stunden noch einen
Kontrollgang durch Maasbüll unternommen hatte.
Er zog sich schnell Hose und Pullover
über und rannte dann hinunter zur Straße, wo der andere in seinem Wagen auf ihn
wartete.
»Schon wieder ein Brand. Das gibt
es doch gar nicht. Wieso erwischt den denn keiner?«
Der Mann hinter dem Steuer hielt
das Lenkrad krampfhaft umklammert und gab Gas. Als er auf den Deich fuhr, sahen
sie durch die Nacht bereits das helle Flackern des Feuers am Horizont. Dazwischen
lag der Koog wie ein dunkler Teppich.
Sie bogen in den Mittelweg ein und
je weiter sie fuhren, desto heller wurde das Leuchten am Himmel. Es wirkte geradezu
mystisch.
»Irgendwie kann ich den Kerl meist
verstehen«, murmelte Haie im Dunkeln des Wagens.
»Wat?«
»Na schau nur, wie schön das eigentlich
aussieht.«
Sein Nachbar nahm den Fuß vom Gaspedal
und knipste das Licht im Innenraum an. »Sech mol, tüddelst du? Da hinten brennt
ein Haus ab und dat hätte genauso gut deins sein können.«
»Ich weiß«, entgegnete Haie. »Aber
wir fragen uns doch immer, warum der Typ irgendwelche Häuser ansteckt. Vielleicht
nur, weil es schön anzusehen ist?«
»Aber dann müsste der ja am Tatort
bleiben.«
Genau das hatte Kommissar Thamsen
auch vermutet. Und so Unrecht hatte er wahrscheinlich gar nicht. Was hatte ein Brandstifter
davon, ein Feuer zu legen, wenn er anschließend sein Werk noch nicht einmal bewunderte?
»Besser wir halten gleich mal die
Augen offen«, ordnete Haie deshalb an.
Doch die Polizei hatte auch diesmal das Gebiet weiträumig abgesperrt,
sodass selbst Thamsen Mühe hatte, näher an den Brand und die Einsatzkräfte heranzukommen.
Er war gerade auf dem Heimweg von
seiner Mutter gewesen, als ihn die Nachricht über den Brand in Blocksberg erreichte.
Er fühlte sich trotz Müdigkeit beinahe
erleichtert, als er zum Einsatz
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