Nordfeuer - Kriminalroman
nichts anmerken zu lassen, nahm sie immer noch alles sehr
mit, was sie an den Tod der Freundin erinnerte.
Tom sah Haie an und bemerkte sofort,
dass etwas Ungewöhnliches vorgefallen sein musste. Er legte die Dokumente zur Seite
und stand auf.
»Komm, lass uns einen Augenblick
nach draußen gehen.«
Sie setzten sich in den Strandkorb
auf der Veranda, den Marlene zum Geburtstag von ihrer Mutter geschenkt bekommen
hatte.
»Also, was gibt’s«, fragte Tom sofort
ohne Umschweife. Ihnen blieb nicht viel Zeit. Marlene würde sicherlich gleich zu
Tisch rufen und anschließend musste er sich sofort auf den Weg machen.
Haie erzählte ihm, was er am Morgen
im SPAR-Markt erfahren hatte.
»Mord?« Tom
war mehr als überrascht. Er war davon ausgegangen, dass es sich um einen Unfall
gehandelt hatte.
»Hast du denn eine Ahnung, was die
da wollte?«
Haie hatte mittlerweile anhand der
Neuigkeiten aus dem Supermarkt seine ganz eigene Theorie.
»Ich vermute, sie hat sich mit dem
Holger dort getroffen. Vielleicht ist es zwischen den beiden zum Streit gekommen
und er hat …«
»Sie umgebracht? Traust du ihm das
zu?«
Eigentlich konnte sich Haie so etwas
von dem netten jungen Lehrer nicht vorstellen. Aber wer wusste schon, was genau
passiert war? Vielleicht hatte er im Affekt einfach zugeschlagen? Außerdem gab es
noch einen Punkt, der Haies Theorie stützte.
»Wie erklärst du dir ansonsten,
warum Holger seit dem Brand nicht erreichbar ist?«
Haie hatte mehrmals versucht, den
Referendar zu erreichen. Weder an sein Telefon zuhause noch an sein Mobiltelefon
ging er dran.
»Ich denke, der ist zur Fortbildung.«
»Habe ich auch gedacht.« Haie schüttelte
jedoch seinen Kopf.
Nach seinem Einkauf hatte er den
Direktor angerufen, um sich nochmals nach Holger Leuthäuser zu erkundigen.
»Er hat sich krank gemeldet.«
»Haie?«
Marlene steckte den Kopf zur Tür
raus. Sofort unterbrachen die beiden Männer ihr Gespräch.
»Telefon für dich. Dirk Thamsen.«
Nicht nur Marlene sah den Freund
fragend an. Auch Tom wunderte sich, warum der Kommissar anrief. Schließlich musste
er bis zum Hals in den Ermittlungen stecken und so gut wie für nichts anderes Zeit
haben. Sie waren zwar befreundet und Dirk Thamsen würde der Trauzeuge von Marlene
sein, aber hatte er dafür jetzt überhaupt den Kopf frei? Und warum verlangte er
ausgerechnet Haie? Erhoffte er sich Unterstützung in dem Fall von ihm?
»Hat er gesagt, was er wollte?«,
fragte Tom Marlene während Haie ins Haus hastete.
Sie schüttelte den Kopf. Er habe
nur kurz gesagt, er habe die Hochzeit nicht vergessen, aber momentan müsse er dringend
Haie sprechen. Zuhause sei er nicht erreichbar, ob er bei ihnen wäre.
»Hm«, Tom überlegte, ob er Marlene
von dem Mord an Katrin Martensen erzählen sollte. Über kurz oder lang würde sie
sowieso davon erfahren. Aber war jetzt der richtige Augenblick?
»Wollen wir heute Abend vielleicht
essen gehen? Nur wir beide?«
»Aber ich habe doch jetzt schon
gekocht.«
»Ich weiß«, Tom blickte auf seine
Uhr und stellte fest, dass er in gut einer Stunde in Husum sein musste. Das wurde
eng.
»Du musst los, stimmt’s?«
»Ja, und zwar sofort«, antwortete
jedoch Haie anstelle von Tom auf ihre Frage. Er kam gerade aus der Tür und krempelte
sich im Laufen sein rechtes Hosenbein auf.
»Mensch, was ist denn heute hier
los?« Marlene war leicht angesäuert. Dafür hatte sie nicht den ganzen Vormittag
in der Küche gestanden, damit sich die Männer jetzt verdrückten.
»Polizeiliche Ermittlungen«, erklärte
Haie nur kurz, ehe er sich auf sein Fahrrad schwang und Richtung Schule fuhr.
Dirk Thamsen war wütend. Wütend auf seinen Chef,
die grinsenden Beamten aus Husum und, wenn er ehrlich war, auch auf seinen Vater.
Nicht, weil er sterbenskrank im Krankenhaus lag, sondern weil Hans Thamsen mit seiner
Meinung über seinen Sohn recht behielt.
Dirk bekam sein Leben irgendwie
nicht auf die Reihe. Das war es, was sein Vater ihm vorhielt. Aber Job, Haushalt
und Kinder – das war ihm plötzlich einfach zu viel. Wie sollte das funktionieren?
Die Kinder hatte er gegen seine
Prinzipien zu Iris abgeschoben. Er wusste, dass das ein Fehler war, aber er konnte
sich momentan einfach nicht um sie kümmern. Wenn er nicht im Einsatz war, fuhr er
ins Krankenhaus. Seine Mutter brauchte ihn jetzt. Und sein Vater vielleicht auch.
Wenn er aber im Krankenhaus war, musste er zum Einsatz. Der Feuerteufel nahm nun
einmal keine Rücksicht auf die privaten
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