Nordfeuer - Kriminalroman
der Sohn derart hatte leiden müssen, empfand sie als
ungerecht. Daher hatte sie sich damals seiner angenommen, versucht, zwischen Vater
und Sohn zu vermitteln, zu helfen. Und letztendlich war sie geblieben. Mehr Dirk
zuliebe, als aus irgendeinem anderen Grund. Sie hatte nie ein Wort über die wahre
Ursache der schlechten Beziehung zwischen Vater und Sohn verloren, obwohl Dirk mehr
als einmal gefragt hatte. Doch Hans hatte sie gebeten zu schweigen. Es sei gut so,
wie es war, hatte er gesagt und damit das Thema für sich beendet. Doch irgendwann
musste Dirk es erfahren. Er hatte nun einmal ein Recht darauf. Und sie fragte sich,
ob nicht jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen war, um mit ihm darüber zu sprechen.
Immerhin wusste man nicht, wie lange sein Vater noch zu leben hatte. Sie nahm erneut
den Telefonhörer in die Hand und wählte seine Nummer.
Die kleine Taverne in der Uhlebüller Dorfstraße war wie immer gut besucht.
Doch für die drei Freunde hatte der Wirt immer einen Tisch frei.
»Kommt«, rief er ihnen von der Theke
aus zu, »hier hinten ist noch Platz für euch.«
Marlene hatte eigentlich gar nicht
ausgehen wollen. Sie war ein wenig verärgert über die Freunde gewesen. Stundenlang
ließen sie sie in der Küche stehen und machten sich dann, als das Essen endlich
auf dem Tisch stand, einfach aus dem Staub.
»Wir können es ja heute Abend aufwärmen«,
hatte Tom vorgeschlagen, doch Marlene blieb stur.
»Ich friere das Essen ein. Heute
Abend gibt es Brot.«
Als Tom jedoch mit einem Strauß
Rosen aus Husum zurückgekehrt war und auch Haie auf dem Heimweg ein paar Pralinen
zur Entschuldigung vorbeibrachte, hatte sie sich überreden lassen, mit den beiden
zum Griechen nach Niebüll zu fahren.
»Was wollte Dirk Thamsen denn eigentlich
heute von dir?«, fragte sie, nachdem sie an dem Tisch in einer der hinteren Nischen
Platz genommen hatten.
»Och, er wollte noch mal in die
Schule«, versuchte Haie ihre Frage abzutun und vertiefte sich in die Speisekarte.
Er wusste nicht genau, wie er ihr von dem Mord erzählen sollte und dass er zusammen
mit Thamsen nach der Tatwaffe gesucht hatte. Vorsichtig schielte er über den Rand
der Karte zu seinem Freund hinüber.
Tom war klar, sie mussten Marlene
von dem Mord erzählen. Sie würde es ohnehin erfahren. Dann besser direkt und ohne
Umschweife, dachte er.
»Das ist ja schrecklich«, flüsterte
sie, fing sich allerdings recht schnell. »Und wie ist sie, ich meine, wodurch …?«
Es fiel ihr schwer, sich mit dem Gedanken an einen Mord auseinanderzusetzen.
»Erschlagen«, antwortete Haie »und
zwar mit einem stumpfen Gegenstand.« Es entstand eine kurze Pause und die drei waren
froh, als die Bedienung an ihren Tisch trat, um die Bestellung aufzunehmen. Die
beiden Männer bestellten jeweils einen großen Grillteller und Marlene wie gewöhnlich
Leber. Obwohl ihr inzwischen der Appetit vergangen war.
»Und was wollte Thamsen denn nun
genau von dir?« Tom war ebenfalls neugierig, warum der Kommissar seinen Freund in
die Schule bestellt hatte.
»Wir haben nach der Tatwaffe gesucht.«
»Und wonach genau?«
Haie zuckte mit den Schultern. Das
sei schwierig. Es könne sich schließlich um alles Mögliche handeln. »Selbst in meiner
Werkzeugkiste haben wir nachgeschaut, aber der Hammer lag noch drin.«
Bei dem Wort Hammer zuckte Marlene
leicht zusammen. Erst Anfang des Jahres hatte es in der Nähe der dänischen Grenze
einen Frauenmörder gegeben, der seine Opfer mit einem Hammer erschlug. Die Mordserie
war zwar irgendwann abgerissen, die Kripo hatte den Mörder aber bis heute nicht
gefasst.
»Meinst du, es hat etwas mit diesem
Sutcliffe-Fall zu tun?«
Daran hatte Haie noch gar nicht
gedacht. Peter Sutcliffe war ein britischer Serienmörder, der von 1975 bis 1980
mit einem Hammer auf dreizehn Frauen eingeschlagen und sie anschließend erstochen
hatte. Die Verbrechen an der dänischen Grenze hatten dieser Vorgehensweise derart
geähnelt, dass man generell nur von dem Sutcliffe-Fall gesprochen hatte. Aber passte
der Mord an Katrin Martensen tatsächlich in dieses Schema? Und warum hatte die Polizei
noch nicht in diese Richtung ermittelt?
»Ich weiß nicht«, entgegnete er
zögernd.
»Habt ihr denn was gefunden?«, wollte
Tom nun wissen.
»Wir sind uns nicht sicher. Letztendlich
gehe ich davon aus, dass der Täter Katrin im Affekt getötet hat.«
»Das heißt, er hatte nicht unbedingt
einen Baseballschläger dabei«, schlussfolgerte Tom.
Haie nickte.
»Und
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