Nordfeuer - Kriminalroman
ängstlich
neben dem Bett stand, notierte es auf dem Patientenblatt, während Dr. Musil immer
noch ungläubig auf den Toten nieder sah. Er verstand es einfach nicht. Der Mann
war stark, alles hatte sich bisher gut entwickelt, wieso war er gestorben?
Er schüttelte seinen Kopf. Es würde
wahrscheinlich immer Fälle geben, die allein aus medizinischer Sicht unerklärlich
blieben. Und da konnte selbst er als guter Arzt nicht helfen.
»Bitte, benachrichtigen Sie die
Angehörigen, Schwester«, murmelte er resigniert, als er das Zimmer verließ.
»Da ist ja endlich das frischgebackene Ehepaar«, rief Haie durch den
Frühstücksraum, als Tom und Marlene endlich in der Tür erschienen.
Der Freund saß zusammen mit Dirk
Thamsen bereits eine ganze Weile in dem hellen Raum mit einem herrlichen Blick auf
die Elbe und ließ sich das Frühstück servieren. Normalerweise aß er morgens höchstens
zwei Brötchen und hin und wieder ein gekochtes Ei. Aber in diesem noblen Hotel gab
es ein Frühstück, wie Haie es noch nie zuvor gesehen hatte. Eine Etagere mit geräuchertem
Lachs, Schinken und frischen Nordseekrabben. Dazu Rührei, unbeschreiblich fluffig
gerührt, und eine riesige Auswahl an Käse, Marmeladen und verschiedenen Brot- und
Brötchensorten. Haie konnte gar nicht aufhören, von all den Köstlichkeiten zu probieren,
obwohl sie tags zuvor auf der Hochzeit schon mehr als genug gegessen hatten.
Aber in Gesellschaft schmeckte es
einfach besser und die hatte er zuhause ja auch nicht immer beim Frühstück, deswegen
genoss er diesen Start in den Tag doppelt. Er konnte sich ja die nächsten Tage dafür
etwas zurückhalten.
»Frau Meissner«,
Haie war aufgestanden und begrüßte Marlene mit einer Umarmung. Sofort eilte ein
Kellner herbei und half die Stühle zurechtzurücken.
»Kaffee oder Tee?«
Marlene bestellte ein Kännchen Tee.
Tom wählte Kaffee, dazu ein Glas frisch gepressten Orangensaft. Mit der Bestellung
im Gepäck rannte der Kellner förmlich davon.
»Und, ausgeschlafen?«, fragte Tom
in die Runde.
Haie und Thamsen wiegten gleichzeitig
ihre Köpfe. »Na ja, geht so«, drückte Haie ihre Geste in Worten aus. »Wir haben
uns gerade noch einmal über Erks Alibi unterhalten.«
»Welcher Erk?
Welches Alibi?« Marlene blickte fragend zwischen Haie und Dirk Thamsen hin und her.
Sie hatte gar nicht mitbekommen,
dass die beiden nach dem Mittagessen einfach verschwunden waren, um den Bruder der
ermordeten Bauerntochter nach dessen Verhältnis zu seiner Schwester zu befragen.
»Na, ich habe euch doch von dem
Streit zwischen Erk und Katrin Martensen erzählt.«
»Ach ja, und?« Tom erinnerte sich
sofort an die Neuigkeiten, die Haie von seinem Friseurbesuch mitgebracht hatte.
»Wahrscheinlich gibt sein Freund
ihm ein Gefälligkeitsalibi«, erklärte Thamsen.
»Ein schräger Vogel«, bemerkte Haie,
um die Unglaubwürdigkeit der Aussage zu unterstreichen.
Plötzlich klingelte ein Handy. Sofort
blickten die Gäste der anderen Tische fast feindselig zu ihnen hinüber. Wer wagte
es, diese morgendliche Ruhe zu stören?
Dirk spürte, wie ihm das Blut ins
Gesicht schoss. Er sprang auf und kramte umständlich in seiner Hosentasche nach
seinem Handy.
»T’schuldigung. Is’ meine Mutter.
Vielleicht was mit den Kindern?«
Er nahm das Gespräch an und noch
während er seine Mutter begrüßte, lief er mit großen Schritten Richtung Ausgang.
»Ist bestimmt nicht einfach als
alleinerziehender Vater«, meinte Marlene, während die Freunde ihm nachblickten.
»Was ist denn eigentlich genau mit
seiner Ex?«, wollte Tom wissen. »Warum kann die sich denn nicht auch mal um die
Kinder kümmern?«
»Soweit ich weiß«, erklärte Haie,
»hat die gar kein Sorgerecht mehr.«
Was direkt zu der Trennung von Dirk
Thamsen und seiner Frau geführt und warum er die Kinder damals zu sich genommen
hatte, wussten die drei nicht genau. Er hatte damals eine Menge Ärger mit seiner
Exfrau gehabt. Haie glaubte sich erinnern zu können, irgendwie habe da wohl Alkohol
eine Rolle gespielt. Jedenfalls hatte der Wirt der Taverne in der Uhlebüller Dorfstraße
ihnen mal erzählt, wie Iris Thamsen stark alkoholisiert zu einem Treffen mit Dirk
in dem Restaurant erschienen und sehr ausfallend geworden war.
»Ist ja auch egal«, entschied Marlene,
um die Spekulationen zu beenden, »ich denke, die Kinder haben es gut bei ihm. Er
kümmert sich wenigstens.«
»Na ja«, warf Tom ein, der die Situation
aufgrund eigener Erfahrungen etwas anders bewertete,
Weitere Kostenlose Bücher