Nordfeuer - Kriminalroman
verdächtiger.
»Ach«, stöhnte Thamsen, als sie
das Parkhaus erreichten und in den Wagen stiegen. »Ich weiß nicht. In diesem Fall
ist irgendwie alles so verquer. Viele Verdächtige, aber kein Hauptverdächtiger.
Ein möglicher Zeuge im Koma, und die Kollegen von der Kripo ziehen auch nicht mit
mir an einem Strang.«
»Wie meinst du das?«
Es musste zwei unterschiedliche
Täter geben. Davon war er fest überzeugt. Einen, der sämtliche Häuser in Nordfriesland
in Brand steckte; also den eigentlichen Brandstifter, und dann den Mörder von Katrin
Martensen. Eventuell hatte er auch Heiko Stein niedergeschlagen und im Prinzip mit
ihm das Gleiche vorgehabt, wie mit Katrin Martensen.
»Aber warum?«
»Vielleicht, damit es so aussieht,
als gehörten auch Brandopfer oder Tote zum eigentlichen Muster des wirklichen Brandstifters.
Die Ermittler, also wir, sollen denken, es handle sich nur um einen Täter.«
Haie zog fragend seine Augenbraue
hoch. »Und du bist der einzige, dem das im Revier auffällt?«
Thamsen zuckte mit den Schultern.
Die Beamten von der Kripo waren für ihn in ihrem Verhalten und ihren Ermittlungsmethoden
total undurchsichtig. Er fragte sich, was die eigentlich genau untersuchten. Angeblich,
so hatte Rudolf Lange gesagt, hatten sie mit Hilfe des Profilers ein paar Verdächtige
aus der Verbrecherkartei herausgefiltert, gegen die sie nun ermittelten. Aber Thamsen
kam es eher so vor, als hätten die Herren nichts in der Hand und warteten darauf,
den Täter durch Zufall zu schnappen.
Er bog auf die Elbchaussee ab und
fuhr nun parallel zur Elbe. »Das ist aber herrlich hier«, bemerkte er, als sie an
einer Ampel hielten und er hinüber auf den Fluss blicken konnte.
»Die beiden haben aber auch echt
Glück mit dem Wetter. Sonnenschein in Norddeutschland ist ja nicht selbstverständlich.«
Er dachte an seine eigene Hochzeit, bei der es wie aus Eimern gegossen hatte. Er
hatte Lust, einen Spaziergang an der Elbe zu machen, die großen Containerschiffe,
die von Lotsenbooten in den Hafen geleitet wurden, zu beobachten und einfach nur
seine Seele baumeln zu lassen. Wie lange hatte er schon keine Zeit mehr einfach
nur für sich gehabt. Dirk Thamsen konnte sich nicht erinnern. Es schien ihm Jahre
her zu sein.
Und auch jetzt blieb dafür keine
Zeit. Nur noch eine halbe Stunde bis zur Trauung.
»Da vorne ist das Hotel, in dem
wir nachher feiern. Da können wir parken, denn weit kann es nicht sein«, führte
Haie an und Thamsen bog in eine Seitenstraße ein, in der sich die Garage des Hotels
befand.
»Das ist bestimmt teuer«, bemerkte
er, als er an der Gegensprechanlage um Einfahrt gebeten hatte. Schon der Empfang
im Jenisch Haus hatte sicherlich ein Vermögen gekostet.
»Na, da hast
du noch nicht das Haus von Marlenes Eltern gesehen«, schwärmte Haie, der immer noch
überwältigt von der Villa war. Normalerweise stand er nicht auf solch einen Prunk
und Luxus. Aber das Anwesen der Liebigs hatte auf ihn Eindruck gemacht. Zumal Marlene
das beste Beispiel für ihn war, wie man reich aufwachsen konnte, ohne total abzuheben.
Er wusste, seine Freundin wäre auch mit einer kleinen privaten Feier in der Gastwirtschaft
im Dorf zufrieden gewesen. Natürlich war eine Hochzeit etwas ganz Besonderes und
Gesine Liebig wollte nur das Beste für ihre Tochter. Marlene hätte auf all den Luxus
auch verzichten können. Sie war bescheiden geblieben und konnte noch den Wert einfacher
Dinge schätzen. Das war nur eine der vielen guten Eigenschaften, die er an ihr schätzte.
Als der Aufzug,
der sie aus der Tiefgarage in den Empfangsbereich des Hotels brachte, seine Türen
wieder öffnete, konnten sie vor lauter Menschen beinahe gar nicht aussteigen. Die
gesamte Hotellobby war voller Gäste oder anderer Leute, die das Spektakel um die
Braut mit ansehen wollten.
Haie und Thamsen
kämpften sich zu Marlene durch. Sie trug nun ein anderes Kleid, das sie wie eine
Prinzessin erstrahlen ließ. Trägerlos, elfenbeinfarbene Seide mit kostbarer Spitze
und weit ausgestellt. Dazu einen klassischen, wenn auch kurzen Schleier. Gesine
Liebig hatte auf zwei Hochzeitskleidern bestanden.
»Du kannst doch nicht in der Kirche
das gleiche Kleid wie auf dem Standesamt tragen«, hatte sie bemerkt und keine Widerrede
geduldet.
Obwohl sie zwei Kleider für eine
Verschwendung hielt, war es ihr leicht gefallen, der Forderung ihrer Mutter nachzugeben.
Sie hätte sich sowieso nicht entscheiden können. Anders war das bei Tom gewesen.
Sie brauchte nur
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