Nordmord
landete er jedoch bei einer toten Frau in der Lecker Au,
von der er nicht wusste, wie und warum sie dahin gekommen war und vor allem
nicht, wer ihr Mörder war.
Tom erzählte von Haies neuen Handschuhen und dessen Erlebnis
beim Einkaufen.
»Ich kann ihn gerne mal anrufen, dass er eben vorbeikommt.
Und die Handschuhe kann er auch gleich mitbringen.«
Der Kommissar nickte.
Kaum eine halbe Stunde später saß Haie bei ihnen am Tisch und
zeigte stolz seine neuen Lederhandschuhe.
»Und die haben Sie aus dem Geschäft in der Norderstraße?«
Haie bestätigte das und
fügte noch hinzu, dass er die Vermutung habe, dass der Mörder ebenfalls seine
Handschuhe dort gekauft hatte. Richtig gute Qualität bekäme man halt nur in
Fachgeschäften und davon gäbe es ja nur eine Handvoll. Außerdem habe er so ein
Gefühl, er könne es nicht wirklich beschreiben, aber eine innere Stimme sage
ihm, dass er recht habe. Heike war in Husum gewesen und ihren Mörder hatte sie
wahrscheinlich dort getroffen. Wie wollte man sonst erklären, dass ihr Auto
immer noch in der Nähe vom ›Einstein‹ gestanden hatte? Ihre Sachen in der
Soholmer Au gleich an der B 5 hatte der Täter wohl eher auf dem Rückweg dort
weggeworfen. Er war nicht zu stoppen und fuhr fort, dass es also möglich wäre,
dass der Mörder nach der Tat zurück nach Husum gefahren war oder zumindest in
die nähere Umgebung. Warum er allerdings das Handy behalten hatte, könne er
sich nicht erklären. Wenn seine Nummer in dem Handy gespeichert gewesen war
oder zumindest als Nummer des letzten Anrufers, weil er Heike irgendwohin
bestellt hatte, hätte er ja einfach nur die SIM-Karte zu entsorgen brauchen.
Oder reichte das nicht aus, um die Spuren eines Anrufs zu verwischen? Und warum
hatte er es dann nicht später verschwinden lassen, sondern sogar noch Marlene
eine SMS geschrieben und sie angerufen? Gut, sie hatte ständig versucht, ihre
Freundin zu erreichen. Vielleicht hatte er sie in Sicherheit wiegen und
möglichst lange herauszögern wollen, dass man nach der Toten suchte. Aber
warum?
Der Kommissar meinte, dass es bisher den Anschein hatte, als
seien alle Spuren gut verwischt worden und er sich vielleicht zusätzlich ein
Alibi verschaffen wollte. Je länger die Leiche im Wasser lag, umso schwieriger
war es, den Todeszeitpunkt festzustellen. Der Gerichtsmediziner hatte
inzwischen angegeben, dass der Mord zwischen Montag 23 Uhr und Dienstag 12 Uhr
passiert sein musste. So jedenfalls stand es im Bericht. Hundertprozentig
konnte der Zeitpunkt nicht festgelegt werden, da die Wassertemperatur eine
entscheidende Rolle spielte. Diese war durch das warme Herbstwetter der letzten
Tage wahrscheinlich höher als üblich und hatte den Verwesungsprozess
begünstigt. Thamsen nahm den Hinweis mit den Handschuhen ernst und erzählte,
dass vor etlichen Jahren tatsächlich mal ein Verbrechen aufgeklärt worden sei,
weil eine Verkäuferin einen Bankräuber, der seine Handschuhe bei ihr gekauft
hatte, erkannt und identifiziert hatte. Er würde gleich im Anschluss in das
Geschäft fahren und sie ihr vorlegen.
»Aber wir dürfen uns auch nicht zu viel davon versprechen«,
fügte er an, als er Marlenes hoffnungsvollen Blick auffing.
»Oft kommen solche Fälle, dass man den Täter durch den Kauf
bestimmter Dinge überführen kann, nicht vor. Und zurzeit haben wir ja noch
nicht einmal einen Verdächtigen, den wir der Dame gegenüberstellen könnten.«
Tom griff nach Marlenes Hand und drückte sie. Er wusste, dass
sie sich nichts sehnlicher wünschte, als dass der Mörder von Heike gefasst
wurde. Und auch er wollte das. Er erinnerte sich, wie sie ihm immer wieder Mut
gemacht hatte, als er vor einiger Zeit die Vergangenheit seines Onkels
aufgeklärt hatte. Häufig hatte er gedacht, er würde niemals erfahren, was
damals geschehen war, aber sie hatte ihn immer wieder aufgemuntert und
angespornt, nicht aufzugeben und weiterzumachen.
Kommissar Thamsen stand
auf, bedankte sich für den Kaffee und auch Haie erhob sich von der Küchenbank.
Er musste zur Arbeit.
»Vielen Dank auch noch
mal für Ihre gestrige Hilfe! Ich melde mich, sobald es Neuigkeiten in dem Fall
gibt.«
Haie warf Tom einen
fragenden Blick zu, doch der reagierte nicht, sondern brachte den Kommissar zur
Tür.
»Was war denn gestern?«, fragte er deshalb
Marlene, die den Tisch abräumte.
»Ach, nichts weiter. Wir haben ihn nur nach Hause gebracht.«
Sie hatte keine Lust,
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