Nordmord
heranschafften.
Es klingelte an der Wohnungstür und er wunderte sich. Die
Dame von der Agentur hatte er sich doch erst für 22 Uhr bestellt. Sie war über
eine Stunde zu früh dran.
Er öffnete die Tür, vor ihm standen zwei Männer in
Polizeiuniform.
»Herr Malte Nielsen?«
Er nickte.
»Wir müssen Sie bitten,
uns aufs Revier zu begleiten.«
Haie schwang sich auf sein Fahrrad und fuhr
Richtung Dorfstraße. Er hatte Frühstückspause und wollte zum Amt fahren, um mit
Lisas Vater zu sprechen.
Hinter den Bahnschranken bog er rechts ab und stellte sein
neongelbes Gefährt vor dem Gebäude ab.
Peter Martens saß hinter seinem Schreibtisch und blickte
erstaunt auf, als er Haie sah.
»Moin, Peter!«
»Was willst du?«
Sein Blick war abweisend, beinahe feindselig. Sicherlich
hatte Mira von seinem gestrigen Besuch erzählt. Er setzte sich auf einen der
Stühle vor dem Tisch.
»Ich wollte mal hören, wie es Lisa geht.«
»Ich wüsste nicht, was dich das angeht!«
Der Mann rückte ein Stück vom Schreibtisch ab und
verschränkte seine Arme vor der Brust. Es war nur zu offensichtlich, dass er
nicht über seine Tochter sprechen wollte. Haie versuchte es auf die
freundschaft-liche Art.
»Mensch, Peter, wie lange kennen wir uns schon? Ich möchte
dich bloß vor einem Fehler bewahren!«
Sein Gegenüber blickte ihn fragend an und er ging zunächst
auf den geplanten Wegzug der Familie ein. Süddeutschland sei zwar auch sehr
schön, aber mit Nordfriesland ja wohl nicht annähernd zu vergleichen. Immerhin
war dies sein Geburtsort, seine Heimat, die konnte man schließlich nicht
einfach so verlassen. Peter Martens zeigte jedoch keinerlei Reaktion. Völlig
unbeeindruckt ließ er sich von der Schönheit und Einzigartigkeit des Nordens
vorschwärmen. Nach einer Weile lenkte Haie das Gespräch wieder auf Lisa.
»Außerdem gerade jetzt, wo
sie die neue Niere bekommen hat. Da ist ein Umzug doch bestimmt viel zu
anstrengend und aufregend für das Mädchen. Nicht, dass durch den Stress das
neue Organ wieder abgestoßen wird.«
»Woher weißt du von der
Transplantation? Wir haben niemandem davon erzählt, dass Lisa in Husum …«
Er brach mitten im Satz ab. Mit ängstlichem Blick schaute er
auf Haie.
»Wieso macht ihr so ein Geheimnis daraus? Es ist doch schön,
wenn sich ein Spender gefunden hat und Lisa wieder gesund wird. Warum erzählt
ihr das denn nicht?«
»Das darf ich dir nicht sagen.«
Es war eine lange Nacht geworden. Thamsen hatte
zusammen mit seinen Kollegen zunächst noch einmal sämtliche Akten
durchgeblättert und anschließend Malte Nielsen verhört.
Der hatte jedoch ebenso wenig gesagt wie Professor Voronin.
Er wisse nichts von einer Spenderliste, könne sich nicht erklären, wie sein
Name auf die gefälschten Krankenblätter gekommen war.
Krankenfahrten? Natürlich,
die würde er regelmäßig übernehmen. Die Kliniken in Husum und Niebüll
arbeiteten schließlich zusammen, die Fahrten gehörten mit zu seinem Job, das
sei ganz normal und habe überhaupt nichts zu bedeuten.
Warum er Marlene Schumann in die Lecker Au gestoßen habe?
»Das war ein Versehen«, hatte er gemeint.
Weit nach Mitternacht hatte Thamsen schließlich aufgegeben.
Aus dem Burschen war rein gar nichts heraus-zuholen. Selbst die angedrohte
Gefängnisstrafe für eine bewusste Falschaussage oder Komplizenschaft hatte ihn
nicht beeindruckt. Mit breitem Grinsen hatte er dagesessen.
»Ihr könnt mir gar nichts«, hatte er gesagt und damit recht
gehabt.
Außer dem Verdacht und den Tagebucheintragungen, dem Bild
eines kleinen Jungen und ein paar inkorrekten Krankenblättern hatten sie
wirklich nichts vorzuweisen.
Er rieb sich die Augen. Es war bereits kurz nach 9 Uhr, aber
er fühlte sich wie gerädert. Die wenigen Stunden Schlaf, die er auf der
ungemütlichen Pritsche in der Verwahrzelle gefunden hatte, waren nicht gerade
erholsam gewesen. Ein Kollege brachte ihm eine Tasse Kaffee.
»Der Professor ist da.«
Er stand auf und ging hinüber in den Raum, in welchem die
Befragung stattfinden sollte. Voronin saß bereits am Tisch, neben ihm sein
Anwalt.
»Sagt Ihnen der Name Vladimir Novosti etwas?«, begann er ohne
Umschweife.
Der Professor schluckte.
»Wie war der Name?«
»Vladimir Novosti.«
Der Befragte schüttelte den Kopf.
»Kann es sein, dass er eine Niere für Andreas Lorenzen
spenden sollte?«
»Woher soll ich das wissen? Die Spender bleiben in der Regel
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