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Nordmord

Titel: Nordmord Kostenlos Bücher Online Lesen
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anonym.«
    Thamsen nahm das Bild des kleinen Jungen in die Hand und
hielt es dem Professor vor die Nase.
    »Was ist passiert? Wieso
bekam Andreas keine Niere? Warum musste er sterben? Vielleicht, weil Frau
Andresen hinter Ihre dreckigen Machenschaften gekommen ist?«
    Der Anwalt warf ihm einen warnenden Blick zu.
    »Andreas Lorenzen ist an den Folgen einer Hyperkaliämie
gestorben. Wenn Sie seine Akte gelesen hätten, wüssten Sie das.«
    Natürlich hatte er die
Akte des kleinen Patienten wieder und wieder durchgeblättert, nach
Unstimmigkeiten gesucht, doch nichts gefunden. Da war nichts verzeichnet von
einer geplanten Transplantation oder einem Eintrag auf der
›Eurotransplant‹-Liste. Nur dass es aufgrund des hohen Kaliumspiegels im Blut
zu einem Kammerflimmern mit anschließendem Herzstillstand gekommen war. Die
Wiederbelebungsmaßnahmen waren erfolglos gewesen. Der Patient war nach etwa 40 Minuten
für tot erklärt worden. Und doch wusste er, dass Heike Andresen mit ihren
Vermutungen richtig gelegen haben musste. Und er war sich sicher, dass der
Professor an ihrem Mord beteiligt war. Nur wie konnte er ihm das nachweisen? Er
musste ihn aus der Reserve locken, ihn überrumpeln und vor allem musste er
diesen Anwalt erst einmal loswerden.
    Er stand auf und entschuldigte sich kurz. Auf dem Flur bat er
einen Kollegen, in etwa 10 Minuten das Verhör zu unterbrechen und den Anwalt
ans Telefon zu holen.
    Wieder zurück in dem Raum, drückte er die Taste des
Tonbandgerätes.
    »Also, wo waren wir gleich stehen geblieben?«

     
    Marlene saß an ihrem Schreibtisch und blätterte
in einem Aufsatz über die Traditionen der Friesen. Das Telefon stand direkt vor
ihr, sie ließ es nicht aus den Augen. Kommissar Thamsen hatte versprochen, sich
zu melden, sobald es irgendwelche Neuigkeiten gab. Außer zu warten, blieb ihr
nichts zu tun.
    Der Vortrag, welchen sie
an diesem Abend halten sollte, war so gut wie vorbereitet. Ein paar Kleinigkeiten
fehlten noch, Beispiele für den friesischen Humor. Kurz war ihr der Gedanke
gekommen, das Referat abzusagen, doch das konnte sie dem Institutsleiter nicht
antun. Außerdem war die Arbeit eine willkommene Ablenkung.
    Sie schlug das schmale Buch mit den lustigen Kurz-erzählungen
auf und war schon bald in die Welt von Käppen Christiansen und dem Maler Hans
Holtorf versunken. Die Geschichte von Dr. Michelsen gefiel ihr mit am besten:

     
    Ein Bauer kam ins Krankenhaus. Der Doktor fragte ihn, was
er denn hätte. Daraufhin holte der Patient einen Würfelzucker aus seiner Tasche
und träufelte aus einer kleinen Flasche eine Flüssigkeit darauf. Der Doktor
probierte und sah ihn mit fragenden Augen an. Daraufhin holte der Bauer ein
weiteres Stück Zucker aus der Tasche und wiederholte die Prozedur. Diesmal
fragte der Doktor allerdings, was das denn solle. Der Patient antwortete, dass
sein Hausarzt gesagt hätte, im Krankenhaus solle man seinen Urin auf Zucker
überprüfen.

     
    Sie wählte die kleine Anekdote als Beispiel für den
heutigen Abend und schlug das Buch zu, als das Telefon klingelte. Es war jedoch
nicht der Kommissar, sondern Heikes Mutter. Sofort meldete sich ihr schlechtes
Gewissen, hatte sie doch zugesagt, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Das Gespräch
zwischen ihnen verlief schleppend. Sie erzählte von ihrem Vortrag und der
Arbeit am Institut, vermied es aber, über die Geschehnisse der letzten Tage zu
berichten. Sie wollte die Mutter nicht aufregen. Diese weinte viel.
    »Ich vermisse sie so!«
    »Ich auch«, erwiderte Marlene und versprach, sich bald wieder
zu melden.

     
    Als Tom gegen Mittag nach Hause kam, saß sie
immer noch am Schreibtisch.
    »Und, was Neues?«
    Sie schüttelte den Kopf.
Er überredete sie, einen Spaziergang zu machen. Der Regen hatte aufgehört, hin
und wieder brach sogar die Sonne durch die grauen Wolken.
    Sie fuhren in die Nähe von Horsbüll. Dort konnte man nach
einer Sturmflut häufig Bernsteine am Strand finden. Der Wind wehte zwar noch
kräftig, hatte allerdings schon beachtlich nachgelassen. Den Blick auf den Boden
gehaftet, gingen sie nebeneinander her.
    »Meinst du, Voronin gesteht?«
    »Weiß nicht.«
    Zwar deuteten die
gefundenen Unterlagen alle darauf hin, dass im Krankenhaus anscheinend mit
Organen gehandelt worden war, aber echte Beweise gab es wohl nicht. Die Polizei
versuchte momentan, einige der Patienten ausfindig zu machen, aber es war
fraglich, ob sie aussagen würden. Zum einen

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