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Nordmord

Titel: Nordmord Kostenlos Bücher Online Lesen
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ein, »wir wollten es halt glauben. Dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht,
konnten wir uns schon denken. Erst die hohe Summe, die wir zahlen sollten, und
dann die heimliche Verlegung.«
    »Aber wir wussten ja nicht …«
    Peter Martens versuchte immer noch, sein Verhalten zu
rechtfertigen.
    Er erzählte, dass Professor Voronin nach Lisas Reanimation
auf sie zugekommen war und gesagt hatte, dass es wenig Hoffnung für ihre
Tochter geben würde. Die Nieren würden so gut wie gar nicht mehr arbeiten, es
sei nur eine Frage von Tagen oder Wochen, bis sie völlig versagen würden. Diese
Schocks, wie Lisa gerade zuvor einen erlitten hatte, konnten immer wieder
auftreten. Nicht jedes Mal hätte man so viel Glück wie an diesem Tag, hatte er
gemeint und damit den nahen Tod ihres Kindes angedeutet.
    Ein paar Tage später hatte
er sie in sein Büro gebeten. Er hatte sie darauf hingewiesen, dass es
vielleicht eine Rettung für Lisa gäbe. Und dann war er mit dem Vorschlag eines
heimlichen Nierenkaufs gekommen. Es sei halt nicht ganz legal, hatte er angedeutet,
aber die Aussicht darauf, dass ihre Tochter wieder gesund werden könnte, hatte
sie diese Bemerkung des Professors überhören lassen. Sie hatten nicht gefragt,
nur das verlangte Geld gezahlt und den Mund gehalten. Darauf hatte er
bestanden. Kein Wort durften sie über die Operation verlieren. Zu niemandem.
Anschließend, wenn das Kind wieder transportfähig war, sollten sie möglichst
weit wegziehen und Lisa sollte einen anderen Namen erhalten. Das waren die
Bedingungen gewesen.
    »Wie viel musstet ihr ihm zahlen?«
    »100.000 DM.«

     
    Er konnte die Eltern überreden, mit ihm zu
Kommissar Thamsen zu fahren und eine Aussage zu machen. Tom und Marlene, die
eine Straße weiter im Wagen auf Haie gewartet hatten, atmeten erleichtert auf,
als sie ihn mit Mira und Peter Martens um die Ecke kommen sahen.
    In der
Polizeidienststelle wiederholten sie, was sie bereits Haie erzählt hatten.
Zusätzlich ergänzten sie noch den Zeitpunkt der Verlegung und dass ein gewisser
Professor Heimkens aus Husum ebenfalls an der Transplantation beteiligt gewesen
sei. Er habe anschließend auch die weiterführende Behandlung von Lisa
übernommen und den Eingriff als Blinddarm-operation ausgegeben.
    »Und wer war der Spender?«
    Sie zuckten mit den Schultern. Den Namen Irina musste einer
der Professoren ihrer Tochter genannt haben. Sie hatten keine Ahnung, ob das
wirklich der Name der Spenderin war. Sie hatten, wie vereinbart, keine Fragen
gestellt.
    »Gibt es Unterlagen zum Kauf der Niere?«
    Sie schüttelten die Köpfe. Ob denn ihre Aussage nicht reichen
würde?
    »Und was geschieht nun eigentlich mit Lisa?«
    Die Mutter fragte es laut schluchzend.
    Thamsen wählte die Nummer des Staatsanwaltes.
    »Das wird sich alles finden!«, beruhigte er sie.

     
    Vorsichtig öffnete er die Tür. Das Mädchen
schlief. Er trat neben das Bett und betrachtete das kleine, blasse Gesicht und
die Gestalt, die so zerbrechlich wirkte.
    Der Krankenakte hatte er die neuesten Werte entnommen. Sie
waren zufriedenstellend, alles entwickelte sich bestens. In ein paar Tagen
würde klar sein, ob der Körper das neue Organ tatsächlich angenommen hatte,
wenig später konnte sie entlassen werden.
    Er strich ihr mit der Hand leicht über das Haar. Er fühlte
sich erhaben. Auch wenn es laut Gesetz nicht erlaubt war, was er tat, er hatte
immerhin das Leben dieses Kindes gerettet. Irina, das Mädchen, von dem die
Spenderniere stammte, hätte so oder so nicht wirklich eine Zukunft gehabt.
Davon war er überzeugt. In diesen Ländern herrschte eine entsetzliche Armut,
vielleicht hatte sie es dort, wo sie jetzt war, sogar besser, versuchte er sein
aufkeimendes schlechtes Gewissen zu beruhigen. Er konnte schließlich die Welt
nicht verändern, nur für ein paar Menschen, wie dieses kleine Mädchen vor ihm,
das Leben verlängern.
    »Professor Heimkens?«
    Eine Schwester hatte die Tür einen Spalt weit geöffnet, ohne
dass er es bemerkt hatte.
    »Da sind zwei Herren von der Polizei, die Sie sprechen
möchten.«
    Er blickte sie fragend an, doch sie zuckte mit den Schultern.
Er versuchte, sich zu erinnern, ob es in der letzten Zeit einen auffälligen Todesfall
auf der Station oder einen Unfall gegeben hatte. Weshalb sollte die Polizei
sonst gekommen sein?
    Die Tür zu seinem Büro war offen, zwei Polizisten standen
mitten im Raum und betrachteten die Aktenordner in den Regalen. Er

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