Nordmord
und Augen nur zu
deutlich zeigten, dass sie Opfer skrupelloser Geschäftemacher geworden waren.
Sogar die Leiche eines Säuglings war dabei, dem man den Brustkorb geöffnet und
das Herz entnommen hatte. Marlene wandte sich fassungslos ab. Was waren das für
Menschen, die zu so etwas fähig waren? Sie konnte den Anblick nicht ertragen.
Haie hingegen nickte. Er war zwar auch zutiefst erschüttert
über die Darstellungen auf dem Monitor, aber sie waren in seinen Augen das
einzig wirksame Mittel gegen die Angst von Lisas Eltern.
»Kann ich einen Ausdruck davon haben?«
Irina erwachte. Sie war in eine Wolldecke
gehüllt und lag auf der Rückbank eines Wagens. Der Mann mit dem Goldzahn saß am
Steuer, daneben der andere.
Es regnete. Die Scheibenwischer bewegten sich gleichmäßig hin
und her. Das Prasseln der Tropfen auf dem Dach war deutlich zu hören.
Sie lag ganz still. Durch
die Scheiben konnte sie nur den grauen Himmel sehen, doch das machte ihr nichts
aus. Sie befand sich auf dem Heimweg. Es konnte gar nicht anders sein, redete
sie sich ein. Sie war sehr krank gewesen, die Männer hatten sie zu einer
Operation gebracht, nun fuhren sie Irina wieder nach Hause. In Gedanken sah sie
ihre Mutter in der Tür stehen, sie winkte. Ein wohliges Gefühl breitete sich in
ihr aus, die Vorfreude auf ihre Mutter und die vertraute Umgebung jagten ihr
einen warmen Schauer durch den Körper. Vergessen waren all die Angst und die
Schmerzen, jetzt zählte nur noch eins: nach Hause kommen, in die Arme der
Mutter flüchten und sich wieder ganz geborgen fühlen. Sie kuschelte sich, so
gut es ging, in die kratzige Wolldecke, die nach Schweiß und Urin roch, und
schloss die Augen.
Als sie erwachte, hatte der Regen aufgehört. Der
Motor war abgestellt, die Männer verschwunden. Sie rappelte sich auf und blickte
durch die Windschutzscheibe.
Wo war sie? Wo war ihre
Mutter? Das war nicht ihr Zuhause.
Sie blickte auf ein
Backsteinhaus, auf dessen Dach eine Leuchtreklame angebracht war. Irina kannte
zwar die Buchstaben nicht, konnte aber ein blinkendes Herz erkennen. Vor dem
Haus standen zwei weitere Autos.
Jetzt sah sie, wie die Männer wiederkamen. In ihrer
Begleitung befand sich ein weiterer Mann. Er trug nur ein T-Shirt, seine
kräftigen Arme waren komplett tätowiert. Sein schulterlanges Haar war zu einem
Zopf zusammengebunden. Er wirkte bedrohlich. Irina zog die Decke über ihren
Kopf. Sie hatte Angst, entsetzliche Angst. Was würde nun mit ihr passieren?
Als sie hörte, wie die Schritte auf dem knirschenden Kies
näher kamen, begann sie, zu zittern. Angst ergriff sie und wieder spürte sie,
wie es warm und feucht zwischen ihren Beinen wurde.
Haie holte tief Luft, bevor er klingelte. Er
hörte Schritte, dann wurde geöffnet. Mira Martens war erstaunt.
»Was willst du schon wieder? Lass uns einfach in Ruhe!«
Sie wollte sofort
wieder die Tür schließen, doch er stellte einfach seinen Fuß dazwischen.
»Ich muss mit euch reden. Bitte, Mira, es ist wirklich
dringend!«
Sie schaute ihn misstrauisch an, trat einen Schritt aus dem
Eingang heraus und ließ ihren Blick herumwandern. Anscheinend nahm sie an, dass
er nicht allein gekommen war. Als sie jedoch niemanden entdecken konnte, fragte
sie:
»Worum gehts?«
»Können wir das vielleicht drinnen besprechen? Die Polizei
weiß von dem Organhandel.«
Nun erschien auch Peter Martens in der Tür. Mit erschrockenem
Blick starrte er auf Haie.
»Komm rein!«
In der Küche spielte Sebastian. Mira schickte ihn in sein
Zimmer. Sie setzten sich an den runden Küchentisch. Ungeduldig warteten sie
darauf, dass er zu reden begann.
»Ich weiß, dass ihr Angst habt.«
Er versuchte zunächst, ihnen zu verstehen zu geben, dass er
sich in die Situation hineinversetzen konnte.
»Wahrscheinlich hätte ich an eurer Stelle genauso gehandelt.
Lisa ist eure Tochter, ihr liebt sie über alles. Trotzdem ist es gegen das
Gesetz, was der Professor getan hat.«
Aus seiner Jackentasche zog er die Ausdrucke von Kommissar
Thamsen.
»Von hier kommen solche Organe, wie Lisa eines erhalten hat.«
Er reichte sie ihnen. Entsetzt blickte Mira auf die Fotos und
auch Peter starrte eine Weile auf das Bild mit dem toten Säugling.
»So war es nicht«, versuchte er, sich zu verteidigen.
»Professor Voronin hat uns versichert, dass ausschließlich Organe legaler
Spender verwendet werden.«
»Und das habt ihr geglaubt?«
»Na ja«, warf nun Mira
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