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Nordmord

Titel: Nordmord Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie
hatte sich oft gewünscht, zu ihrer eigenen Mutter eine solche Beziehung zu
haben. Aber da würde es mehr als ein paar lieb gemeinte Worte brauchen, um
diese Kluft, die im Laufe der Jahre zwischen ihr und Gesine entstanden war, zu
überbrücken. Wenn es überhaupt möglich war. Der Tod der Freundin regte sie
jedoch zum Nachdenken an und auch wenn sie momentan nicht die Kraft hatte, einen
Schritt auf ihre Mutter zuzumachen, dann vielleicht später. Mit einem Seufzer
erhob sie sich.

     
    Tom saß bereits am Frühstückstisch.
    »Guten Morgen, meine Hübsche«, begrüßte er sie und goss ihr
eine dampfende Tasse Kaffee ein. Dann vertiefte er sich wieder in die Zeitung.
    »Steht was über den Professor drin?«
    Er reichte ihr das Titelblatt, welches er bereits gelesen und
neben sich auf die Küchenbank gelegt hatte.
    ›Skandal um Organspenden! Niebüller Professor Mitglied eines
Organhändlerringes‹.
    Sie studierte den ausführlichen Bericht sehr aufmerksam.
Darin wurde über den Organhandel, die illegalen Spender aus Osteuropa und den
Fall der kleinen Lisa berichtet. Über Heike stand nichts in der Zeitung.
    »Die schreiben gar nichts über den Mord.«
    »Vielleicht liegen die Ergebnisse noch nicht vor.«
    Tom war in einen Artikel
über Mobilfunkanbieter vertieft und hörte ihr gar nicht richtig zu. Für ihn war
der Fall abgeschlossen. Dass man dem Professor den Mord nachweisen konnte, war
für ihn nur eine Frage der Zeit.
    »Ich rufe Kommissar Thamsen an.«
    »Hm«, murmelte er nur. Als er kurz darauf aufblickte, war sie
aufgestanden und ins Wohnzimmer gegangen. Nach einer Weile kam sie zurück.
    »Und?«
    »Er ist nicht da.«

     
    Dirk Thamsen fuhr auf der B 5 Richtung Süden. In
Sande bog er links ab. Er wählte jedoch nicht den Weg über Klintum nach Leck,
sondern fuhr nach Enge-Sande und folgte dann immer weiter der schmalen Straße,
bis er schließlich die kleine Ortschaft Soholm erreichte.
    Böse Zungen behaupteten zwar, hier gäbe es nichts außer einem
Bäcker, aber er fand das Dorf, das nur aus wenigen Häusern bestand, sehr
reizvoll. Alles wirkte hier so friedlich, beinahe ein wenig verschlafen.
    Wenige Meter hinter dem Ortsschild bog er rechts in eine
Auffahrt. Ein roter Toyota parkte unter einem Baum.
    Er drückte den schwarzen Klingelknopf, nur einen kurzen
Augenblick später öffnete eine Frau die Tür. Sie trug einen schwarzen
Plisseerock und einen dunklen Rolli.
    »Frau Lorenzen?«
    Sie nickte und trat zur Seite.
    An der Garderobe im Flur sah er einen beigen Mantel hängen.
Hier war er richtig, es gab keinen Zweifel.
    »Ist Ihr Mann da?«
    Sie ging voraus, führte ihn den schmalen Flur entlang bis zum
Wohnzimmer.

     
    Albert Lorenzen saß auf dem dunkelbraunen
Cordsofa. Er wirkte apathisch, hatte sich seit Tagen nicht rasiert und trug ein
fleckiges T-Shirt und eine Jogginghose aus Ballonseide. Auf dem Tisch vor ihm
standen etliche Flaschen Bier und Korn. Mit glasigem Blick schaute er Kommissar
Thamsen durch eine beschlagene Brille an, als er seinen Namen nannte.
    »Herr Lorenzen, ich bin Polizeihauptkommissar Thamsen. Ich
muss Sie leider bitten, mitzukommen.«
    Er wusste nicht, ob er das ›leider‹ aus Gewohnheit gebraucht
hatte oder ob er nicht doch so etwas wie Mitleid für den Mann empfand. Er hatte
ja selbst Kinder, konnte deshalb nachvollziehen, wie schmerzlich der Verlust
seines Sohnes gewesen sein musste. Schon nach der Trennung von seiner Exfrau
hatte er selbst sehr darunter gelitten, die Kinder nicht mehr jeden Tag um sich
zu haben. Wie viel schlimmer musste der Schmerz erst sein, wenn man sich der
Tatsache zu stellen hatte, dass man sein Kind nie wieder sehen würde? Es nicht
mehr in den Arm nehmen, nicht mehr sein Lachen und nie wieder die Worte: ›Papa,
ich hab dich lieb‹ aus dem kleinen Kindermund hören konnte? Doch, er konnte gut
nachempfinden, wie groß der Schmerz über den Verlust von Andreas gewesen sein
musste. Zumal es bis vor Kurzem so ausgesehen hatte, als gäbe es eine Rettung
für ihn.
    Und dann kam da einfach eine junge Ärztin und machte mit
ihren neugierigen Schnüffeleien, ihren Fragen und Drohungen, dass sie der
Polizei davon erzählen würde, alles zunichte. Veranlasste den Professor, einen
Rückzieher vor der lebensrettenden Operation für Andreas zu machen.
    Und nun war er tot. War
es nicht ihre Schuld? Der Mann auf dem Cordsofa hatte es jedenfalls so gesehen.
    »Herr Lorenzen?«
    Der Mann stand langsam auf und

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