Nordmord
für das Spendermädchen der Fall war.
Nachdem sie Haie daheim abgesetzt hatten, waren sie nach
Hause gefahren.
Auf dem Küchentisch standen noch die Champagnergläser,
Marlene räumte sie wortlos in die Spüle. Sie war mit ihren Gedanken immer noch
bei der Frage, ob Voronin tatsächlich der Mörder war.
»Ich möchte nur noch zu gerne wissen, wer denn nun der Mann
auf der Beerdigung gewesen ist.«
Tom verdrehte die Augen. Konnte sie denn nicht endlich auch
einmal an etwas anderes denken? Er schlang seine Arme um sie und zog sie an
sich.
»Das ist doch momentan völlig unwichtig.«
Sie spürte seine warmen Lippen und erwiderte den Kuss. Als er
jedoch langsam mit seiner Hand unter ihren Pullover wanderte, entzog sie sich
der Umarmung.
»Ich denke, morgen können wir uns dann an die
Wohnungsauflösung machen.«
Er blickte sie fragend an. Hatte er etwas falsch gemacht?
Wieso lehnte sie jede Zärtlichkeit, die aus mehr als einem Kuss bestand, ab?
Lag es an ihm?
Beleidigt drehte er sich um und ging ins Bad. Als er sich die
Zähne putzte, huschte sie hinter ihn.
»Tut mir leid!«
Er fing ihren Blick im Spiegel auf. Ihre Augen blickten
unsicher, auf ihrer Stirn glätteten sich die Sorgenfältchen anscheinend gar
nicht mehr, sie sah müde aus.
Er spuckte aus.
»Ich versteh dich ja«, beteuerte er, obwohl das nicht ganz
der Wahrheit entsprach.
Er musste eingeschlafen sein, denn das schrille
Läuten des Telefons ließ ihn aufschrecken.
»Ja, Thamsen?«
Er rieb sich seinen steifen Nacken.
Es war der Kollege aus Kiel. Diesmal waren die DNA-Tests
legal durchgeführt und vorrangig untersucht worden. Doch das Ergebnis war
enttäuschend. Weder die Probe von Professor Voronin noch die von Professor
Heimkens zeigten eine Übereinstimmung mit den Spuren an den Handschuhen des
Täters. Und dass diese wirklich vom Täter getragen worden waren, bewiesen nicht
nur die Hautpartikel, sondern zusätzlich auch Speichelspuren von Heike
Andresen.
Also blieben nur die Russen. Und er hatte gedacht, den Fall
endlich abschließen zu können. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und
schloss die Augen.
Was hatte Professor Heimkens noch gesagt? Aus deren Team sei
es niemand gewesen. Ganz unrecht hatte er ja nicht gehabt, zumindest waren die
Ärzte aus dem Schneider. Gut, der Mord an Heike kam ihnen vielleicht nicht
ungelegen, aber es bedeutete wohl nicht, dass sie auch daran beteiligt gewesen
waren. Was, wenn auch die anderen Verdächtigen nichts mit der Ermordung zu tun
hatten? Wer konnte es dann gewesen sein? Ein Irrer? Oder war sie doch ein
zufälliges Opfer gewesen? Vielleicht die Bewohner von diesem alternativen Hof
im Herrenkoog, wie die Leute im Dorf behaupteten? Haie Ketelsen hatte davon
erzählt, als sie beim Griechen zusammen essen gewesen waren.
Er stöhnte. Mit der Hand rieb er sich seine Stirn, so, als
könne er dadurch das Durcheinander, das dahinter herrschte, ordnen. Irgendetwas
hatte doch dieser Heimkens noch gesagt.
»Vielleicht fragen Sie sich mal, wem außer uns Heike Andresen
mit ihrem Wissen geschadet haben könnte.«
Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
38
Marlene drehte sich unter der dicken
Daunenbettdecke um und tastete schlaftrunken nach Toms Körper. Doch das Bett
neben ihr war leer.
Sie rappelte sich auf und blickte auf den Wecker. Es war
bereits nach 10 Uhr. In der letzten Zeit hatte sie selten so lange geschlafen.
Es erinnerte sie an ihre Studienzeit. Bis mittags im Bett zu liegen, hatte man
sich da schon öfter gegönnt. Besonders im Herbst und im Winter, wenn es draußen
stürmte und der Regen gegen die Scheiben prasselte. Sie erinnerte sich an Tage,
an denen sie das Bett überhaupt nicht verlassen hatte.
Aber das erlaubt man sich
heute leider auch nicht mehr, dachte sie und schwang ihre Beine über die
Bettkante. Ihre nackten Füße fühlten den kratzigen Teppich unter sich, schnell
schlüpfte sie in ihre Clogs. Eine Weile saß sie nachdenklich da. Jetzt, wo der
Fall beinahe aufgeklärt war, sollte sie Heikes Mutter anrufen. Oder vielleicht schrieb
sie ihr lieber einen Brief? Manchmal war es einfacher, seine Gedanken und
Gefühle anderen schriftlich mitzuteilen. Zumal sie das letzte Telefonat als
etwas schwierig empfunden hatte. Nicht, dass sie mit der Mutter der Freundin
nicht reden konnte. Sie hatten immer ein sehr inniges Verhältnis zueinander
gehabt. Marlene war beinahe wie eine Tochter für Frau Andresen gewesen und
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