Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nordseefluch: Kriminalroman

Nordseefluch: Kriminalroman

Titel: Nordseefluch: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
Vom Netzwerk:
frische Luft tat mir gut. Mein Kopf wurde klarer.
    Ich zeigte in Richtung Loogdorf.
    »Da drüben wohnte Manfred Kuhnert«, sagte ich.
    »Wenn man bedenkt, wie viel Mühe du dir damit gemacht hast, solch einen Jungen zu unterrichten«, bedauerte meine Frau, »dann musst du ganz schön frustriert sein.«
    »Du hast recht, der Bengel saß während vieler Stunden vor mir in seiner Schulbank«, sagte ich.
    »Er war ein Heimkind. Keiner kennt seine Eltern. Die Gene, Jupp. Die Veranlagung ist angeboren«, sagte meine Frau.
    Ich hatte keine Lust, mit ihr die Probleme der Kinder zu diskutieren, die nicht wie meine Söhne mit Liebe und äußerster Hingabe großgezogen wurden.
    »Mag sein«, antwortete ich und folgte ihrem Blick. Ich sah das Entenpaar, das mit klatschenden Flügelschlägen und quakend aus der Luft im schrägen Winkel den Hammersee anflog.
    Mir fiel mein Kollege Stinga ein, der Biologie unterrichtete und bei einem Lehrerausflug einmal scherzhaft uns bekannte Persönlichkeiten der heilen Kleinstadt den Igeln und Erpeln zugeordnet hatte.
    »Weißt du?«, fragte ich meine Frau, »dass ich zu den Erpeln zähle und einige meiner Kollegen zu den Igeln?«
    »Nein«, antwortete sie, »aber wenn ich an deinen Unterricht denke, dann hast du keine Stacheln und quakst zu viel.«
    Sie beleidigte mich mit ihrer Ironie nicht, denn es war bekannt, dass ich zu den »weichen« Lehrkräften unserer Schule gehörte.
    »Entenpaare halten sich ein Leben lang die Treue. Sicher geht das nicht ohne Entenärger über die Bühne. Aber Igelmännchen nehmen mit, was sie bekommen können«, sagte ich und lachte, während meine Frau ernst blieb.
    Der Plattenweg endete. Unsere Söhne rannten uns voraus, verließen die Holzbohlen und stapften durch den weichen Sand. Wir hatten die Wahl, den unverschmutzten Binnensee seitlich oder das weite, unendliche Meer mit dem verwaisten Strand aufzusuchen.
    Ich weiß nicht, was mich dazu getrieben hatte, plötzlich laut und entschlossen anzuordnen: »Kommt, wir nehmen den Dünenweg zum Flugplatz. Wir haben noch genügend Zeit.«
    Nach einer knappen Stunde näherten wir uns dem Flughafen. Einige Piepers und Cessnas standen auf dem Grün. Wir sahen, wie ein kleines Flugzeug abhob.
    »Das wird die Reporterin sein«, sagte ich zu meinen Söhnen.
    »Stehen die Morde morgen schon in der Zeitung?«, fragte mein ältester Sohn. Ich nickte nur.
    »Schade«, sagte meine Frau, »ich würde lieber im Flughafenrestaurant einen Tee trinken, als im Strandschlösschen mit deinem Vetter und seiner Braut zu Mittag essen.«
    Mich verbanden mit meinem Vetter die gemeinsamen Jahre der Hungerzeit, Jugendstreiche und unsere kleinbürgerliche Herkunft. Seinen Reichtum verdankte er seiner harten Arbeit, seinem angeborenen Unternehmergeist und seinen Raffinessen. Ich war nicht neidisch auf seinen bewunderungswürdigen Erfolg, der ihm Evi beschert hatte. Hannes, mit seinem klobigen Körper, seinem runden pausbäckigen und von Sommersprossen übersäten Gesicht, der nie der Typ der jungen Schönen war, dessen Schulzeugnisse ihm keine akademische Laufbahn eröffnet hatten, und der selbst beim Fußballspielen nie Zutritt in eine Mannschaft gefunden hatte, hatte immer gewusst, wo es langging. Er hatte sich dort mit Erfolg bewährt, wo seine Qualitäten gebraucht wurden.
    »Das kann ich Hannes nicht antun«, sagte ich empört, »er meint es gut.«
    Wir schritten durch die Dünen dem Strandschlösschen entgegen.
    Als sich vor uns die Zementstraße öffnete, sagte ich zu meinen Söhnen: »Drüben lag die Leiche des Kutschers.«
    Meine Frau wurde blass.
    »Aber, Jupp!«, sagte sie empört.
    Wortreich erzählte ich von den nächtlichen Erlebnissen und fand auch die Stelle wieder, wo der Kutscher gelegen hatte.
    »Man kann es noch deutlich sehen«, sagte der ältere Sohn, während die Sonne uns im Windschatten aufwärmte.
    »Papa, schau her, was ich hier gefunden habe!«, rief mein kleiner Sohn.
    In seiner Hand lag ein Clip, wie Mädchen sie benutzten, um einen Pferdeschwanz abzuklemmen. Das daran befindliche Gummiband war zerrissen. Blitzschnell stieg ein Verdacht in mir auf. Ich nahm den Clip, den blaues Emaille in Form einer Blume einfasste, an mich.
    »Ist etwas, Papa?«, fragte mein Sohn.
    Ich wusste, dass viele Feriengäste den Dünenweg benutzten, und bemühte mich, meinen Verdacht zu verdrängen. Der kurze Schlaf und die Ereignisse der Nacht hatten meine Nerven überreizt.
    »Jupp, komm schon!«, rief meine Frau. Ihr war das alles

Weitere Kostenlose Bücher