Nordseefluch: Kriminalroman
an.
»Sie besitzen ein Foto von mir?«, fragte sie und lächelte wie ein Teenager.
»So verhält es sich, gnädige Frau. Der Kutscher Norbert Batinga verwahrte es in einer CD-Hülle. Wir fanden es erst heute«, sagte Pietsch.
»Befand es sich in der Hülle der BAP-CD?«, fragte sie und strahlte uns an.
»Ja. Und uns interessiert es schon, wie der Kutscher zu Ihrer Widmung kam«, antwortete der Kommissar.
»Ich habe ihm das Foto geschenkt«, antwortete sie und legte für Sekunden Trauer in ihren Blick.
»Sie kannten Norbert Batinga gut, gnädige Frau?«, fragte Heiko Ekinger.
Isa von Schwertstein senkte den Blick und atmete tief durch. »Norbert war ein goldiger Junge«, antwortete sie. »Er tat sich schwer mit seiner Umwelt. Er hatte seine Schullaufbahn ohne Erfolg, aber mit vielen Protesten beendet. Sein Idealismus suchte nach einer heilen Welt.«
»Sie trafen sich gelegentlich?«, fragte der Kommissar ungeduldig.
Frau von Schwertstein fuhr sich mit der Hand durch das kurze Stoppelhaar und hob ihre breiten Schultern an. »Ja, Herr Kommissar«, sagte sie. »Hier in meiner Wohnung habe ich mit Norbert unvergessliche Stunden erleben dürfen. Auch ich bin eine Aussteigerin aus alten Traditionen einer angesehenen Familie, so passten wir hervorragend zusammen.« Sie erhob sich und blickte uns traurig an.
»Begleiten Sie mich bitte«, forderte sie uns auf und führte uns an den teuren Möbeln entlang in einen kleinen Flur. Sie öffnete eine Seitentür und ließ uns eintreten. An der Wand hing ein großes Poster. Es zeigte den Kutscher Norbert Batinga in Badehose. Wie ein Boxer hatte der Junge seine Arme gehoben, sodass seine Muskeln zu Paketen angewachsen waren. Auf dem Boden des Zimmers lagen Hanteln. Vor den Wänden standen einige Kraftmaschinen.
»Ein Hobby, das ich mit Norbert teilte«, sagte sie traurig.
Wir sahen uns einige Sekunden im Zimmer um.
»Bodybuilding. Norbert war stark und jung und bildungshungrig. Oft unterhielten wir uns nur in Englisch. Dabei hing an ihm der Pferdegeruch! Mein sinnloses Leben verbrachte ich vorher auf Partys mit aufgeblasenen Schwächlingen, die dort die Schecks sitzen hatten, wo Norbert Herz besaß und Muskeln spielen ließ.«
Wir verließen den Trimmraum und kehrten zurück ins Wohnzimmer.
Dort setzten wir uns in die Sessel. Isa von Schwertstein war erregt. Ihre Augen blitzten.
»Hatte Batinga Feinde?«, fragte Ekinger.
Die Gnädige lehnte sich an den Rücken der Couch, schob die Beine von sich und reckte ihre Arme. Ich sah, wie sich die Muskeln strafften. »Nein, wer sollte schon so einem harmlosen Jungen Böses gewünscht haben, Herr Kommissar?«, fragte sie.
»Nun, vielleicht einer aus Ihrer abgelegten Vergangenheit«, antwortete Pietsch.
»Das schminken Sie sich ab! Ich habe keine Feinde hinterlassen. Ich bin wohlhabend und unabhängig in jeder Hinsicht«, sagte sie aufgebracht.
»Frau von Schwertstein, Norbert Batinga hat an dem Abend, als die kleine Marion ermordet wurde, seine Kutsche zufällig oder absichtlich in unmittelbarer Nähe des Tatortes verlassen«, sagte der Kommissar. »Der mutmaßliche Mörder hat mit ihr die Leiche des Kindes zum See-Shop transportiert. Batinga ist danach, während Suchtrupps unterwegs waren, von Zeugen gesehen worden und hat sich später erneut dem Tatort genähert. Dort muss ihn sein Mörder angetroffen haben.«
Frau von Schwertstein neigte sich vor.
»Herr Kommissar, Norbert hatte seine Droschke in der Nähe des Tatorts abgestellt, um mich zu treffen«, antwortete sie.
»Hatten Sie sich um diese Zeit mit ihm verabredet?«, fragte Heiko Ekinger.
»Nicht direkt. Aber von diesem Abstellplatz führt ein Pfad zum Strand. Dort habe ich einen Strandkorb, und auch mein Surfbrett lagert dort.«
»Und Norbert Batinga war zur besagten Zeit bei Ihnen?«, fragte der Kommissar.
»Ja, wir badeten zusammen«, antwortete Isa von Schwertstein. »Ich habe ihn noch gefragt, ob er nicht noch Gäste fahren müsse. Nein, hat er geantwortet. Er hätte einen älteren Mann und seine Enkelin in der Nähe des Weges abgesetzt, die zu Fuß weiterlaufen wollten.« Sie erhob sich und trat ans Fenster. Sie blickte lange aufs Meer, als wolle sie alles vergessen.
»Frau von Schwertstein, war es nicht schon spät für ein Rendezvous am Strand?«, fragte der Kommissar.
Ohne sich umzudrehen, antwortete sie: »Nein, um diese Zeit war der Strand leer. Echte Freiheit bietet das Meer nur in der Einsamkeit. Wir konnten nackt baden und uns unter freiem Himmel
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