Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
klingt nicht nach einer besonders festen Beziehung. Zwischen Henrik und Stina, meine ich.«
»Das weiß ich nicht genau. Ich meine mich zu erinnern, dass sie eine Weile zusammengewohnt haben, es muss also doch etwas Festeres gewesen sein.«
»Aber seitdem haben Sie den Namen nicht mehr gehört?«
»Nein.«
»Und Sie wissen nicht, ob Henrik sich in letzter Zeit mit ihr getroffen hat.«
»Er …« Thomas Bark hielt inne, und als er weitersprach, hatte seine Stimme einen völlig anderen Klang. »Glauben Sie, dass diese Stina es getan hat? Das klingt doch wirklich vollkommen verrückt.«
»Henriks Beziehung zu Stina ist eine der vielen Spuren, die wir verfolgen. Das heißt nicht, dass Stina schuldig ist.«
»Aber Sie suchen nach einer eifersüchtigen Exfreundin?«
»Das ist ein Aspekt.«
»Passieren denn solche Geschichten wirklich? Das klingt nach einer Filmstory.«
»Es kommt vor. Aber Sie haben recht. Dass eine Frau aus Eifersucht einen Mord begeht, ist äußerst selten. Meistens sind die Täter Männer. Aber wie gesagt, wir wissen nicht einmal, ob es so einen Zusammenhang überhaupt gibt.«
»Ich verstehe.«
Fredrik konnte Thomas Bark aufatmen hören.
»Na dann, oder war noch etwas?«
»Sie haben mir nicht die Frage beantwortet, ob Henrik Stina Hansson seit seiner Rückkehr nach Gotland wiedergetroffen hat.«
»Ach, genau. Soweit ich weiß, nicht. Er hat sie nicht erwähnt.«
»Okay, dann will ich Sie nicht länger stören.«
»Kein Problem.«
»Ach, eine letzte Frage noch«, sagte Fredrik rasch. »Hat Henrik Ihnen von anderen Konflikten erzählt, ist er mit irgendwem aneinandergeraten, hat er sich vielleicht mit jemandem um Geld oder um einen Auftrag gestritten?«
»Nein. Henrik ist nicht der Typ, bei dem es Ärger gibt. Er arbeitet hart und gibt immer sein Bestes. Falls er doch mal Streit hat, kann man davon ausgehen, dass er an ein richtiges Arschloch geraten ist.«
»Aber das ist im vergangenen Jahr nicht vorgekommen?«
»Soweit ich weiß, nicht.«
Fredrik bedankte sich und legte auf. Viel hatte er nicht erfahren. Im Grunde gar nichts. Er war jedoch überzeugt, dass Thomas Bark ihm nicht alles gesagt hatte.
Ninni hörte, wie die Haustür geöffnet wurde, und rief Hallo in den Flur. Eine dumpfe Begrüßung kam zurück. Dann herrschte wieder Stille, während Henrik sich die Schuhe auszog,
»Es ist ganz schön spät geworden«, probierte sie es jetzt.
Aber sie erhielt keine Antwort. Sie sah Fredrik wie einen Schatten an der Tür vorbeigehen und hörte ihn mit schweren Schritten, aber zielstrebig die Treppe hinaufsteigen. Oben ging er weiter über den Flur. Das Knacken der Dielen war deutlich durch die Decke zu hören. Dann wurde es still. Ninni spitzte die Ohren. Sie hatte geglaubt, er würde zu Simon gehen, aber von dort oben war kein Laut mehr zu hören.
Ninni betrachtete den Aufsatzstapel vor sich auf dem Tisch. Sie hatte gehofft, heute Abend damit fertig zu werden, hatte aber erst die Hälfte geschafft. Der Fernseher war etwas zu lange gelaufen.
Normale Tests waren einfacher durchzusehen. Wenn die Schüler Aufsätze auf Englisch schreiben mussten, hatte sie manchmal so viel zu korrigieren, dass die Blätter am Ende ganz rot waren. Ninni kam sich dann wie ein Schlachter vor, der es auf das Selbstvertrauen und den Lerneifer eines armen Kindes abgesehen hatte. Manche Schüler dagegen brachten erstaunliche Leistungen zustande. Über die durchschnittlichen Fähigkeiten im Land konnte man sagen, was man wollte, aber es ließ sich nicht bestreiten, dass einige schwedische Kinder unheimlich gut in Englisch waren.
Es war zehn vor elf. Höchste Zeit, Simon ins Bett zu schicken. Sie schob die Aufsätze ordentlich zusammen, legte die unkorrigierten obenauf, stand auf und ging nach oben.
»Fredrik«, rief sie auf halber Treppe.
Keine Antwort.
Als sie das Schlafzimmer betrat, lag er mit dem Gesicht zur Wand angezogen auf dem Bett.
»Fredrik?«
Einen Augenblick lang packte sie die Angst. Doch dann sah sie ihn atmen. Wahrscheinlich war er einfach erschöpft. Offensichtlich völlig am Ende. Wie müde musste man sein, wenn man nicht einmal mehr die Kraft hatte, kurz stehen zu bleiben und richtig Hallo zu sagen? Und in diesem Zustand war er den ganzen Weg von Visby hergefahren. Eine Dreiviertelstunde am Rand der Bewusstlosigkeit allein im Auto.
59
In dem fensterlosen Besprechungsraum hingen neue Fotos am Whiteboard. Zwei davon fesselten Fredrik besonders. Sie zeigten zwei Köpfe. Obwohl die
Weitere Kostenlose Bücher