Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nordwind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
Vom Netzwerk:
früher intensiv beschäftigt hatte – machte ihr die Arbeit an der Högby-Schule eigentlich Spaß?, wollte sie auf Gotland bleiben?, wenn auch Simon mit dem Gymnasium fertig war und vielleicht zum Studieren aufs Festland ging? –, blieb ihr überhaupt keine Zeit mehr. Ihre Gedanken kreisten nur noch um die Frage, ob Fredrik wieder vollkommen oder nur fast gesund werden würde. Ob er wieder als Polizist würde arbeiten können. Ob sie jemals wieder Sex haben würden. Ob er dazu noch in der Lage wäre. Ob sie dazu Lust hätte.
    Nun lag das alles so weit zurück, dass sie nicht mehr automatisch Freude empfand, weil es nicht so gekommen war. Sie schliefen wieder miteinander. Er konnte. Sie wollte. Vielleicht hatten sie nicht das aufregendste Sexualleben der Welt, aber hatten sie das vor dem Unfall immer gehabt? Wohl kaum.
    Als der Unfall passierte, hatten sie sich von der vorübergehenden Trennung ganz gut erholt, aber sie war sich nicht sicher, ob der Heilungsprozess bereits vollkommen abgeschlossen gewesen war. Der Unfall hatte ihn unterbrochen. Erst jetzt hatte sie das Gefühl, dass sie die Fäden ernsthaft wieder aufnehmen und dort wieder anfangen konnten, wo sie damals gestanden hatten.
    Wenn sie etwas über ähnliche Vorfälle in der Zeitung las, über Menschen, die mit knapper Not davongekommen waren, klang es in den Artikeln stets so, als hätte sich deren Leben für immer verändert, als wären sie bessere Menschen geworden, die sich auch an kleinen Dingen erfreuen und das Leben dankbar genießen konnten. In jedem Augenblick. Ninni erkannte sich in diesen Schilderungen nicht wieder. Vor einem Jahr hatte sie möglicherweise ähnlich empfunden, das gab sie zu, aber nun nicht mehr. Früher oder später holte einen das normale Leben ein.

32
     
    Malin betrachtete zuerst durch die Fensterscheibe die blonde Frau und dann ihre Tochter neben sich. Ellen stand auf einem Hocker, damit sie besser sehen konnte. Sie standen im Konferenzraum des Polizeigebäudes, der zufällig Fårö hieß. Sara Oskarsson hatte sie an den Stuhlreihen und den schmalen Tischen vorbei zur Stirnseite des Raumes geführt, wo sie kurz zuvor den roten Vorhang aufgezogen hatte.
    Hinter der Scheibe standen sechs Frauen von ähnlicher Größe und Figur. Zwei von ihnen waren blond, zwei rotblond, eine mittelblond und eine rothaarig. Eine der beiden Blondinen war Stina Hansson.
    Zweifellos war sie diejenige gewesen, die am Montagmorgen vor der Schule gestanden und Malin angestarrt hatte. Außerdem war sie eindeutig blond. Kein bisschen rotblond. Malin musste sich also geirrt haben.
    Sie betrachtete die blonde Frau noch einmal. Die blonde Frau. Es war leichter, sie zu bezeichnen, als sie Stina zu nennen. Die Haarfarbe hielt sie auf Distanz.
    Sie hatte das Gefühl, dass die Frau seltsam lächelte und Ellen dabei direkt ansah, fast wie im gegenseitigen Einverständnis. Malin wusste, dass das unmöglich war. Die andere Seite der Scheibe war verspiegelt. Die blonde Frau konnte sie nicht sehen. Weder Ellen noch sie oder jemand anderen. Sara Oskarsson hatte ihnen das ganz genau erklärt, bevor sie den Vorhang öffnete.
    Und trotzdem. Malin war überzeugt davon, dass sich zwischen den beiden etwas abspielte. Vielleicht keine Verständigung, sondern eher eine Art von Kontakt. Eine stumme Kommunikation durch die Glasscheibe, die Ellen vor Schreck verstummen ließ und sie an eine Übereinkunft erinnerte, die die blonde Frau mit ihr im Auto getroffen hatte. Worte, von denen Ellen nie erzählt hatte, weil es zur Absprache gehörte, dass sie sie für sich behielt. Du darfst niemals sagen, dass du mich wiedererkennst. Ich lasse dich nur gehen, wenn du mir das versprichst.
    Natürlich war das Unsinn. Hirngespinste. Und dennoch. Nicht genau zu wissen, was in diesem Auto geschehen war, trieb Malin an den Rand des Wahnsinns. Was gesagt worden war. Vielleicht hatte die Frau Ellen gedroht, ihr sogar Todesangst eingejagt? Vielleicht hatte ihre Tochter den Vorfall vollkommen falsch dargestellt, weil sie sich nicht traute, die Wahrheit zu sagen.
    »Denk in Ruhe nach«, sagte Sara Oskarsson. »Wir haben Zeit.«
    Ellen drehte sich um und sah Malin verunsichert und flehentlich an. Die lächelte Ellen zu, aber es tat weh, dass sie ihr nicht helfen konnte. Nicht helfen durfte. Sie dachte an das, was sie an jenem Tag zu ihr gesagt hatte: »Manchmal sehen blonde Haare ja auch ein bisschen rötlich aus. Man bezeichnet sie trotzdem als blond …« Vielleicht hatte sie das Mädchen

Weitere Kostenlose Bücher