Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
gewesen, sagte sie sich und griff zum Handy. Zuerst versuchte sie es auf Marias Mobiltelefon. Es tutete, aber Maria meldete sich nicht. Ohne aufzublicken, wählte sie die Festnetznummer. Es klingelte, aber es hob niemand ab.
»Es geht immer noch keiner ran.«
Henriks bekümmerter Blick machte sie noch nervöser.
»Irgendjemand müsste sich doch mal melden, oder etwa nicht? Ellen geht doch immer ans Telefon.«
»Dann müssen sie wohl draußen sein.« Henrik warf einen Seitenblick auf die Dämmerung vor den Fenstern. Er klang nicht besonders überzeugend.
Malin versuchte nachzudenken. Seit fast fünfzehn Minuten ging niemand ans Telefon. Was mochten die drei treiben? Wie sie es auch drehte und wendete, sie konnte es sich nicht erklären. Maria wusste schließlich, was passiert war. Ihr war bewusst, dass sie unter diesen Umständen jederzeit erreichbar sein musste.
»Ich warte noch fünf Minuten, und dann, dann …«
Malins Mund war vollkommen ausgetrocknet. Sie trank einen Schluck Ramlösa aus Henriks Glas. Ihr Magen schmerzte. Bevor sie Maria nicht erreicht hatte, würde sie keinen Bissen mehr hinunterbekommen.
Schweigend sahen sie sich an und warfen nur hin und wieder einen verstohlenen Blick ins Lokal oder aus dem Fenster. Malin fummelte an der Serviette auf ihrem Schoß herum, als Henriks Mobiltelefon plötzlich eine SMS empfing. Malin richtete sich auf, beugte sich gespannt über den Tisch und zog währenddessen ihr eigenes Handy aus der Tasche.
Er schüttelte den Kopf. »Das war der Assistent, der mich morgen begleitet.«
Malin konnte nicht länger sitzen bleiben. Sie hielt es einfach nicht mehr aus.
»Ich rufe noch mal an. Wenn jetzt niemand rangeht, fahren wir nach Hause.«
Henrik widersprach ihr nicht.
Malin wählte wieder beide Nummern. Zuerst Marias Mobiltelefon, dann den Festnetzanschluss. Keine Reaktion.
Abrupt stand sie auf.
»Wir fahren.«
Nachdem sie den Entschluss gefasst hatte, wurde die Angelegenheit auf einmal ernst. Ihre Beine fühlten sich schwer an, und ihr Mund war trocken, obwohl sie gerade einen Schluck Wasser getrunken hatte. Panik stieg in ihr hoch.
Henrik stand auf und ging die Rechnung begleichen. Malin wartete am Ausgang und sah noch, wie die Kellnerin mit betrübter Miene etwas zu Henrik sagte. Er redete wild gestikulierend weiter und schien kein Ende zu finden. Konnte er nicht endlich den Mund halten und bezahlen? Allein das umständliche Verfahren mit der Kreditkarte würde doch noch eine Ewigkeit dauern … doch plötzlich winkte Henrik zum Dank und ging zur Tür.
»Sie schicken die Rechnung«, erklärte er, als er bei ihr war.
Sie brauchten nicht mehr als eine Minute zum Hamnplan, wo sie geparkt hatten.
»Ich rufe die Polizei an«, sagte Malin im Auto.
»Wieso auch nicht«, erwiderte Henrik gedämpft.
Er fuhr rückwärts aus der Parklücke in Richtung Süden, um die Innenstadt zu umgehen. Sich durch das Labyrinth von engen Gassen zu quälen wäre Zeitverschwendung.
Nachdem sie die 112 eingetippt hatte, hielt Malin zögernd inne. Sie würde irgendeine Telefonistin, die den Hintergrund nicht kannte, an den Apparat bekommen und ihr alles langwierig und kompliziert erklären müssen. Und diese Person, die sich schlimmstenfalls nicht einmal auf Gotland befand, würde äußerst skeptisch reagieren.
Sie löschte die drei Ziffern und wählte stattdessen die abgespeicherte Nummer von Fredrik Broman.
Was sollte sie tun, wenn er nicht ans Telefon ging? Dann musste sie es doch über die 112 versuchen. Sie zählte die Klingelzeichen. Drei, vier …
Bald würde die Mailbox anspringen.
»Fredrik Broman.«
Gott sei Dank. Nachdem sie hastig ihren Namen genannt hatte, sprudelten die Worte nur so aus Malin heraus: »Henrik und ich sind in Visby, und meine Schwester ist zu Hause bei den Kindern, aber es geht niemand ans Telefon.«
Broman verstand ihre Sorgen sofort und versprach, eine Streife vorbeizuschicken.
»Das dauert allerdings eine Weile«, sagte er. »Sie haben nicht zufällig Nachbarn, die kurz anklopfen und nach dem Rechten sehen könnten? Dann wüssten wir schneller Bescheid.«
»Ja, natürlich«, antwortete Malin. »Ich rufe gleich an und frage, ob sie zu Hause sind.«
Warum war sie nicht selbst darauf gekommen?
»Melden Sie sich bei mir, sobald Sie etwas wissen.«
Henrik fuhr so schnell, wie er es auf der dunklen Straße wagte. Malin hatte vergeblich versucht, Bengt und Ann-Katrin zu erreichen. Nun blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Zähne
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