Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
Haus ging.
Malin hatte einen so dicken Kloß im Hals, dass sie nur ein Nicken zustande brachte und ihm stumm den Schlüssel reichte. Leif Knutsson blinzelte ihr mit beiden Augen aufmunternd zu. Es würde alles gut werden.
Als die Polizisten ausstiegen, hörte Malin von Weitem Musik. Noch bevor die Türen wieder geschlossen waren, hatte sie die Stimme erkannt. Rihanna, ein besonderer Liebling von Maria.
Sie sah, wie Gunilla einen Gegenstand von ihrem Gürtel löste, und einen Augenblick später wurde der Boden vor ihren Füßen von kaltem Licht erhellt. Malin starrte aus dem Seitenfenster auf das Haus, konnte aber nur die obere Hälfte des Erdgeschosses erkennen. Die Polizisten und der Lichtkegel verschwanden am Abhang, und bald waren nur noch Köpfe und Schultern zu sehen.
Malin wollte hinter ihnen herstürzen, sie wollte sitzen bleiben, sie wollte sich verstecken. Waren die Türen abgeschlossen?
In ihrem Kopf schaukelte es leicht und schwer zugleich. Sie legte die Stirn an die Scheibe und konnte leise Bässe hören. Dann sah sie ein Licht auf sie zukommen. Sie starrte in den Abend hinaus. Es war Leif Knutsson, der den Abhang wieder hochstieg. Er winkte ihr zu. Winkte er sie her? Sollte sie kommen? Anscheinend ja.
Hastig stieg sie aus und zeigte mit fragender Miene auf sich selbst. Leif winkte noch einmal. Malin lief los. Im selben Moment hörte sie von der Straße das vertraute Brummen des Jeeps, lief aber weiter in Richtung Haus.
Wenige Schritte später sah sie Maria. Sie sprach mit der Polizistin. Und die Kinder? Warum waren die Kinder nicht da? Mit klopfendem Herzen rannte sie auf Maria zu.
Da waren sie ja. Axel und Ellen saßen im Apfelbaum. Ellen sprang von ihrem Ast herunter und raste auf sie zu. Axel ging die Sache etwas vorsichtiger an. Obwohl sein Ast nicht weiter oben war als der von Ellen, konnte er nicht einfach springen. Als Malin sah, wie sein Fuß unsicher nach Halt suchte, wollte sie ihm zu Hilfe eilen, wurde aber von Ellen daran gehindert, die sich an ihr Bein klammerte.
Die Musik wummerte aus einem Lautsprecher, der auf einem Tischchen vor dem Fenster stand.
»Könnten wir die Lautstärke vielleicht etwas reduzieren?«, schrie Leif Knutsson.
Maria schlug erschrocken die Hand vor den Mund. »Klar, natürlich.« Sie sah Malin mit großen reuevollen Augen an. »Es tut mir leid, entschuldige, es tut mir so leid. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Wir haben im Garten gespielt, und ich habe die Lautsprecher ans Fenster gestellt … damit wir dabei ein bisschen Musik hören können. Verzeih mir, Malin. Du musst ja vollkommen …«
Leif Knutsson hatte offensichtlich die Nase voll von Rihanna. Er ging ins Haus, und nach wenigen Augenblicken war die Musik verstummt.
»Ich habe das Handy nicht mit nach draußen genommen, aber ich verstehe nicht, warum ich es nicht gehört habe. Das Fenster ist doch offen.«
Maria zeigte auf das Wohnzimmerfenster. Das Festnetztelefon befand sich jedoch im Arbeitszimmer.
Axel hatte sich mittlerweile von dem Ast heruntergekämpft und rannte mit ausgestreckten Armen auf Malin zu. Sie beugte sich zu ihm hinunter und nahm ihn auf den Arm. Er sah müde aus. Sie wusste nicht recht, was sie von Marias Einfällen halten sollte. Obwohl sie sich vor den Polizisten ein bisschen schämte, war sie vor allem froh, dass alles in Ordnung war.
Da hörte sie Schritte hinter sich. Mit einem großen Fragezeichen im Gesicht trat Henrik zu ihnen. Er sah Malin, die Kinder, die Polizisten und seine Schwägerin an.
»Es ist alles okay«, sagte Malin.
Henrik runzelte verwirrt die Stirn.
»Alles okay«, wiederholte Malin. »Maria hat das Telefon nicht gehört.«
Henriks Züge glätteten sich. Er lächelte erleichtert.
Maria wandte sich an die Polizisten. »Es tut mir so leid, wirklich … Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Entschuldigung. Ich mag gar nicht daran denken, dass Sie extra aus Visby hierhergekommen sind.«
»Kein Problem«, sagte Leif Knutsson. »Am wichtigsten ist doch, dass es allen gut geht.«
39
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie im Bett waren, aber schließlich lagen sie nebeneinander in der Stille und der Dunkelheit Fårös. Die Alarmanlage war eingeschaltet, alle Missverständnisse waren beseitigt und die Entschuldigungen ausgesprochen.
Henrik drehte sich auf die Seite. Malin spürte vier Fingerspitzen auf ihrer Hüfte. Die zarte Berührung war wie eine zaghafte Frage. Sie hatten nicht mehr miteinander geschlafen, seit sie aus dem
Weitere Kostenlose Bücher